Die Saat der Finsternis (German Edition)
zögerte. „Doch ich könnte es werden.“
„Warum, wenn Ihr mir nicht vertraut?“ Lys konnte ihn nicht ansehen, der Druck der Verantwortung, die auf ihm lastete, drohte ihn in die Knie zu zwingen. Schließlich musste er sich ruckartig abwenden, um sich zu sammeln. Er wollte verdammt sein, wenn er vor diesem Mann in Tränen ausbrach!
Ihr Götter, helft mir, ich darf jetzt nicht versagen!
Er fuhr herum, als Archym ihn an der Schulter berührte und auf jene nicht zu deutende Art anblickte, die Elyne von ihm geerbt hatte.
„Meine Kinder vertrauen dir, Lys. Sie lieben dich beide – Elyne auf eine etwas merkwürdige Weise, Stefár auf jene Art, die ich nicht schätze.“ Archym presste die Lippen zusammen, nun war er es, der den Blick senkte. Nach einer kurzen Pause schien er sich zu etwas durchzuringen. „Ist es wahr, was Elyne sagte? Du hast mehrfach dein Leben und alles, was für dich von Bedeutung ist riskiert, um meine Kinder zu retten?“
Lys nickte stumm.
„Ich weiß, dass du Elyne stets beschützt und ihre Ehre gewahrt hast, auch, als sie das wahrhaftig nicht verdient hatte. Was du in Irtrawitt auf dich genommen hast, um meinen Sohn zurückzubringen, kann ich nicht einmal erahnen.“
Wortlos schob Lys den Ärmel hoch und zeigte das Brandmal, nur für einen Moment; dann bedeckte er es wieder. Er ertrug es nicht, dass Archym dieses Zeichen seiner Demütigung ansah. Archym wurde regelrecht grau im Gesicht. Er rang minutenlang um seine Fassung, während Lys ans Fenster trat und hinausstarrte. Lieber wandte er diesem Mann den Rücken zu, ob Feind oder nicht. Mit Mühe unterdrückte er einen Schrei, als er unvermittelt am Arm gepackt und herumgerissen wurde. Er sah das Feuer in Archyms Augen lodern, das er von Kirian so gut kannte, aber es war nicht kalt.
„Wie dankbar ich dir bin, als Vater, als Mensch, kann ich nicht in Worte fassen“, sagte der stolze alte Fürst aufgewühlt. „Ich wünschte, ich könnte diese Dankbarkeit zeigen, ohne ununterbrochen an politische Konsequenzen denken zu müssen. Allein es dir hier ohne Zeugen zu sagen ist ein Wagnis, das mir das Genick brechen könnte.“
Lys neigte respektvoll den Kopf.
„Ich danke Euch. Ich werde schweigen, als hättet Ihr diese Worte niemals gesprochen. Selbstverständlich ist mir bewusst, dass Euer politisches Handeln davon nicht beeinflusst wird.“
„Du überschätzt mich, Lys.“ Archym seufzte ergeben. „Ich will dir vertrauen. Und die Götter wissen, ich kann meine Kinder nicht noch einmal opfern. Eher töte ich jeden Mann, jede Frau und jedes Kind auf Lichterfelser Gebiet eigenhändig, als dies noch einmal zuzulassen. Also, was ist dein Plan?“
„Im Augenblick sind Vorbereitungen im Gange, Maruv wirtschaftlich auszuhungern. Noch vor der Schneeschmelze sollen alle meine Verbündeten sowie jeder Gegner, dessen Landbesitz auf den günstigen Strecken liegt, seinen Handelszehnt nicht an den König, sondern an Inur zahlen. Layn Kumien sorgt dafür, dass die Händler nur auf den ausgewählten Straßen reisen, die ich mit allen vorhandenen Kräften vor Räubern beschützen lasse. Er hat jeden Kontakt zu Maruv abgebrochen und unterstützt Sorala – allerdings bloß für begrenzte Zeit. Die muss reichen, um den Kronrat zu überzeugen, Maruv zum Abtreten zu zwingen, um einen Krieg zu verhindern.“
Verblüfft starrte Archym ihn an und schüttelte dann den Kopf.
„Wofür brauchst du mich bei dieser irrwitzigen Intrige?“, fragte er mit sichtbarem Unbehagen.
Lys griff nach einer Landkarte, die er bereits zuvor hier hinterlegt hatte, und breitete sie auf dem Tisch aus.
„Schaut, diese Bereiche kann ich bereits kontrollieren“, sagte er und wies auf einen mit roter Tinte schraffierten Teil, der Onurs Norden zeigte – das gesamte Gebiet im Schatten der Eisenberge; dazu einen großen Anteil des Westens und viele einzelne Flecke in der Mitte bis hinab zur Küste.
„Um die vollständige Macht über den Handel zu erlangen, brauche ich aber auch den Nordwesten, die Mitte des Reiches und den gesamten Süden, was durch Purna, Lichterfels und Corlin verhindert wird.“ Er wies nacheinander auf die großen Landflächen, die vom König und den beiden Fürstentümern gehalten wurden. „Ich kann den König nur isolieren, wenn ich entweder über Corlin oder Lichterfels ziehe. Seit mein Vater weiß, dass ich Roban getötet habe, ist mir Corlin verschlossen. Ich benötige also Euch, um mein Spiel zu gewinnen.“
Lys richtete sich auf und wartete
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