Die Saat der Finsternis (German Edition)
Anwesenheit einer Priesterin, selbst, wenn sie noch nicht die vollen Weihen erhalten hat.“
Er drehte sich um und fand sich Auge in Auge mit dem Mann, für den er zu sterben bereit war. Kirian musterte ihn nachdenklich, aber ohne ein Zeichen von Zorn oder Misstrauen.
„Ich nehme an, wir beide brechen jetzt auch sofort auf?“, fragte er, und legte eine Hand an Lys’ Wange. „Nach Sorala, um Inur auf das Eintreffen eines brisanten Besuchers vorzubereiten?“
„Ganz genau“, erwiderte Lys und lehnte sich mit geschlossenen Lidern an Kirians Brust an. „Wir müssen dem Ärmsten außerdem noch klar machen, dass er künftig der wirtschaftlich mächtigste Mann im Reich sein wird. Einige Manipulationen, Bestechungen, Drohungen, Intrigen, das Übliche halt, und der gesamte Handel Onurs läuft über ihn – den Erzabbau des einzig bedeutenden Vorkommens auf unserer Seite der Berge kontrolliert er ja bereits.“
„Er wird entzückt sein“, sagte Kirian grinsend.
„Sobald er sich von seinem Herzschlag erholt hat.“ Lys atmete erleichtert auf, dass er diesen Schritt glücklich hinter sich gebracht hatte, und gab seinem Liebsten einen leidenschaftlichen Kuss.
„Genug geturtelt, da tränen einem ja die Augen vom Hingucken“, riss Albor ihn aus seiner Versunkenheit und Kirians Umarmung. Der Räuber hatte zwei Pferde dabei und grinste sie verschmitzt an. „Das Übliche, Sheruk, eh? Ich pass hier auf, fang schon mal ein bisschen an, den Handel für den Sorala klarzumachen, und ihr zwei gebt alles, um euch unterwegs den Hals zu brechen.“
„Was würde ich ohne dich machen?“, fragte Kirian und umarmte seinen ältesten Freund und Vertrauten.
„Das willste nich’ wissen“, brummte Albor, klopfte Lys schwungvoll auf die Schulter und drückte ihm die Zügel in die Hand. „Anniz passt auf das Mädel auf. Komm zurück, Kleiner, bevor deine Kinder noch Papa zu mir sagen.“
„Das werde ich!“, sagte Lys fest.
Er musste darauf hoffen, dass Kumien sich auf das Spiel einlassen würde. Vertrauen in Elynes Überzeugungskraft, Tomars Treue, Larks Ehrlichkeit und Inurs Fähigkeiten setzen. Und dann würde alles gut werden.
Vielleicht.
20.
Layn Kumien starrte ungläubig auf das Pergament, auf den Boten, der es ihm überbracht hatte, dann wieder auf das Schriftstück. „Irgendwann – das ist heute …“
„Ich hoffe, das ist ein Scherz?“, fragte er, halb lachend, halb grollend. Sollte Lys wirklich gehört haben, was er damals geflüstert hatte? Wenn ja, war das gut oder schlecht?
„Ihr wisst, wir scherzen niemals“, sagte der Bote steif und gab die mündliche Botschaft weiter, die ihm aufgetragen worden war. Er war ein Priester und strahlte all die Würde und Erhabenheit aus, die Geweihte auszeichnete. Man hatte ihn mehrmals nach Waffen durchsucht und von zwei anderen Priestern prüfen lassen, ob er wirklich kein Betrüger war; die Demütigung war ihm nicht anzumerken.
„Ich soll die Beziehungen zu Onurs König aufgeben, um diesen Jungen zu unterstützen? Das könnte Krieg bedeuten, der sich rasch über Onurs und Irtrawitts Grenzen ausbreitet – das Gleichgewicht der Kräfte ist fragil. Zudem, Lys war Sklave in meinem Palast, wie soll ich ihn jemals als gleichwertigen Handelspartner und Thronfolger ansehen?“
„Ihr sagt es selbst, Layn Kumien. Er war Sklave, aus freien Stücken. Er hat sich in Irtrawitt eingeschlichen, Euch einen politischen Gefangenen geraubt und erfolgreich wieder Euer Reich verlassen. Wem könntet Ihr mehr vertrauen, dass ihm sein Vorhaben gelingt?“
„Die Priesterschaft unterstützt ihn?“, fragte Kumien unbewegt.
„Gewiss.“ Der Priester lächelte undurchsichtig.
„Es wäre also … unklug, sich gegen ihn zu stellen.“
„Ihr sagt es.“
Kumien studierte erneut das Pergament. „Der gesamte Handel mit Onur läuft also fortan ausschließlich über Graf Inur, den ich durchaus schätze, und Maruv bleibt außen vor. Dadurch erhält Inur nebenbei die gesamte Kontrolle über das Eisenerz, sowohl Abbau als auch Handel. Ist das klug?“
„Graf Inur ist Corlins Mann. Beide sind zu besonnen, um diese Machtstellung für persönliche Interessen auszunutzen.“
„Ein Vierteljahr spiele ich mit. Wenn Lyskirs Spiel mich bis dahin nicht überzeugt hat, werde mich mit erneut mit dem König verbünden. Das ist alles, was ich verspreche.“
Der Priester verneigte sich tief, zog dann wieder die Kapuze über den Kopf und wandte sich zum Gehen.
Kumien blickte dem Mann hinterher,
Weitere Kostenlose Bücher