Die Saat Der Makellosen
sowieso nur das Gegenteil erreicht. Sie war stur, wenngleich auch nicht auf diese selbstverleugnende, selbstzerstörende Art wie Marga es gewesen war. Sie hatte dem vermeintlichen Teufel zwar an den Kopf geworfen, er sei einer, hatte sich im nächsten Atemzug aber auch bereitwillig in sein Bett gelegt, was im krassen Widerspruch zu dem stand, was sie sagte und angeblich auch glaubte.
So sehr er sich auch anstrengte, er konnte für diese Frau, die ihre Kinder sich selbst überlassen hatte, obwohl sie gewusst haben musste, was auf die beiden zukam, wenn sie dem Staat in die Hände fielen, keine Sympathie empfinden.
Sie waren doch keine Monster. Malakai hatte ihr nie etwas Böses getan. Im Gegenteil, er hatte seine Liebe noch verteidigt, obwohl ihm bereits die eigene Familie im Unverständnis über das Verhalten dieser Frau gezürnt hatte.
Marga hatte die Trennung der Geschwister und damit zumindest die Gefährdung des Seelenheils der Älteren in Kauf genommen, statt sie ihnen zu überlassen. Das konnte und wollte Rys nicht verstehen. Nicht, solange er die weinende Romy in seinen Armen hielt und ihren Schmerz irgendwie zu lindern versuchte, wenn er ihn ihr schon nicht ganz abnehmen durfte.
Sie hätten doch auf Theron warten sollen.
Romy konnte sich nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal so gut aufgehoben gefühlt hatte wie in Rys’ Umarmung. Sie wollte nur ein bisschen Trost, den sie sich nicht von ihrer Schwester holen konnte. Bekky durfte nicht erfahren, dass ihre Mutter Selbstmord begangen hatte.
Romy hatte es die ganze Zeit geahnt aber die Bilder immer wieder verdrängt, weil sie dann wirklich völlig allein in der Welt gestanden hätte. Nicht einmal ihre Mutter hätte sie dann genug geliebt, um bei ihr zu bleiben. Diese Erkenntnis war niederschmetternd. Was war da nur schief gelaufen? Sie würde alles tun, damit Bekky glücklich und sicher aufgehoben war. Bis zum letzten Atemzug. Warum hatte ihre Mutter das nicht für sie tun können?
Dennoch tat Romy nach einer Weile alles, um die Tränen endlich zum Versiegen zu bringen. Es war nicht richtig, ihnen in den Armen des Mannes nachzugeben, der ihr die ganze Zeit nur hatte helfen wollen und dem sie dermaßen vor den Kopf gestoßen hatte.
Jetzt vor ihm zusammengebrochen zu sein, war bestimmt die verdiente Strafe. Hochmut kommt vor dem Fall ... Sie würde nur das schlechte Bild bestätigen, das er schon vor ihr hatte, weil er die Ähnlichkeit mit dem durchgeknallten Handeln ihrer Mutter sehen würde. Romy brachte nicht einmal die Kraft auf, sie zu verachten oder zu hassen.
Was geschehen war, ließ sich nicht rückgängig machen. Sie hätte es weit schlimmer treffen können, was Pflegeeltern anging. Bonny hatte ihr Bestes versucht, sie war ja selbst beinahe wie ein Tier behandelt worden und hatte nie gelernt, zu lieben oder geliebt zu werden. Nicht, dass sie selbst etwas davon verstand. Bekky hatte eine Familie. Das musste sie erfahren. Für sie war es noch nicht zu spät, sie war jung und unerfahren genug, diese neue Entwicklung als etwas Positives sehen zu können.
Sie wurde in seinen Armen unruhig, je mehr sie ihre Trauer beherrschte, schließlich löste sie sich von ihm und rutschte von ihm weg, um sich die Tränen von den geröteten Wangen zu wischen und seinem Blick auszuweichen.
„Tut mir leid… Das ist sonst nicht meine Art… Es war einfach ein wenig zu viel auf einmal!“, entschuldigte sie sich und erhob sich, um zu dem Stuhl zurück zu laufen und sich darauf niederzulassen, weil sie noch ziemlich durch den Wind war.
So konnte sie nicht auf die Straße oder zurück zu Bekky. Sie musste sich erst einkriegen und einfach akzeptieren, wie das Schicksal ihr mitgespielt hatte. So wie sie das immer getan hatte. Die altbekannte trügerische Ruhe senkte sich über sie, um sie von ihrem Kummer zu erlösen. Nur langsam ein- und ausatmen. Es wirkte beinahe einschläfernd, so dass sie unter schweren Lidern zu Rys Harper aufsah, dessen Nähe plötzlich nicht mehr so aufwühlend war. Er war einfach ein unfreiwilliger Zeuge ihres Ausbruchs geworden, so wie andere vor ihm. Das hatte nie jemanden gekümmert. Vielleicht war sie genauso krank wie Marga?
Romy runzelte die Stirn und versuchte, sich an die Worte ihres… Vaters zu erinnern (es war merkwürdig, das Wort zu benutzen, war sie doch immer der Ansicht gewesen, es gäbe niemanden, der sie als Tochter beanspruchen würde). Er hatte etwas von einer Krankheit gesagt, aber Romy hatte es nicht ganz verstanden.
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