Die Saat Der Makellosen
zusammenfahren lassen. Mr. Harper begrüßte den Herren allerdings beiläufig, der daraufhin sofort von der Leiter stieg und sie ehrerbietig mit einem Diener begrüßte, als wären sie ehrenwerte Herrschaften. Nun, zumindest sie war das sicher nicht.
Er trug eine dunkle Sonnenbrille und war sehr blass, Romy schätzte ihn auf etwa sechzig, allerdings hatte seine Haltung nichts mit einem älteren Herrn gemein, obwohl seine Haare bereits ergraut waren.
Mr. Harper bat um irgendwelche Chroniken, die der Mann zielstrebig aus einem der Regale auf der Galerie fischte, während ihr Begleiter sie bat, doch am Tisch Platz zu nehmen, der bestimmt dort stand, damit man in Ruhe in den alten Büchern blättern konnte. Viele der Buchrücken waren mit Goldschrift überzogen und es roch hier nach altem Leder und Politur. Wie in einer echten Bibliothek oder wohl eher einem gut gepflegten Museum.
Es lagen sogar Laptops bereit und an der Stirnseite befand sich ein Kamin, vor dem zwei gemütliche Ledersessel standen. Man könnte beinahe annehmen, dass man sich in einem alten Herrenhaus in England befand, sogar die schweren Samtvorhänge vor den Fenstern sahen wie aus einem anderen Jahrhundert aus.
“Danke, Gideon! Wir kommen nun alleine zurecht!“, hörte sie Rys mit freundlicher Stimme sagen.
“Sehr wohl, mein Herr! Soll ich die Vorhänge für Sie öffnen?“, fragte er noch nach, doch Mr. Harper lehnte ab, wofür Romy dankbar war.
Das helle Tageslicht hätte die ganze Sache nur noch schlimmer gemacht. Es war ihr gerade recht, dass sie hier in einem Raum saß, der von der Außenwelt abgeschnitten zu sein schien.
Harper legte einen dicken ledergebundenen Folianten vor sie auf dem Tisch ab, den er für sie aufschlug und zu einer Stelle blätterte, auf der sie eine Art Stammbaum erkannte und dann die Geburtsurkunde zu sehen bekam, die Theron Harper ihr am Samstagmorgen als Kopie gezeigt hatte. Rys blätterte eine Seite weiter, wo auf einer Doppelseite mehrere Bilder eingeklebt waren, die Romy dazu brachten, die Luft mit einem scharfen Laut einzuatmen.
Sie konnte gar nicht anders, als die Hand auszustrecken und das eine Bild mit den Fingerspitzen zu berühren, auf dem ihre Mutter mit ihr auf den Armen abgebildet war. Sie hatte kein einziges Erinnerungsstück an ihre Kindheit außer dem goldenen Kruzifix. Es war ja alles verbrannt...
Das Gesicht ihrer Mutter zu sehen… Allein das ließ die Tränen in ihren Augen brennen. Sie war so jung gewesen, als sie zur Welt gekommen war. Jünger als Bekky heute. Romy erkannte sich selbst ein Stückchen in ihr wieder… Ihre Haut berührte die glatte Oberfläche des Bildes und dann passierte es… Sie bekam Eindrücke von dem Menschen vermittelt, der das Bild geschossen hatte.
…„Malakai… Nein! Hör endlich auf, mich zu drängen! Romana ist mein Kind! Und Du wirst nicht über unser Leben bestimmen! Du hast absolut kein Recht dazu!“
„Ich möchte nicht über dich bestimmen! Ich möchte dich doch nur beschützen! Ich liebe dich und mein Kind! Warum kannst Du das nicht akzeptieren? Ich war doch von Anfang an ehrlich zu dir! Warum kannst Du mir nicht vertrauen?“
„Weil Du kein Kind Gottes bist! Mutter hat mir genau erklärt, warum ich auf der Welt bin! Das war kein göttliches Wunder! Es war ein Pakt mit dem Teufel und ich werde nicht denselben Fehler machen! Egal, wie anziehend Du bist! Du magst die Macht haben, mich immer wieder zu verführen, aber mehr wirst Du von mir nicht bekommen! Ich werde meine Kinder von euch fernhalten!“
„Marga! Wir haben genauso viel oder so wenig mit dem Teufel zu tun wie alle anderen auch! Warum erlaubst Du mir nicht, dir das zu beweisen? Lerne meine Familie kennen! Sie würden Romana so gerne sehen! Bitte!“…
Romys Hand zuckte zurück, als hätte sie sich an dem Bild verbrannt, von dem sie diese Szene geliefert bekommen hatte, die sich zwischen ihren Eltern abgespielt haben musste. Sie hatte nur die Stimme des Mannes gehört, der ihr Vater zu sein schien. Warm und volltönend und so flehentlich. Seine Bitten klangen aufrichtig, doch Romy verstand die Angst ihrer Mutter nur zu gut.
Allerdings hatte er sie ja augenscheinlich nicht dazu gezwungen, in seine Welt zu kommen, sonst hätte Marga wohl kaum noch bei ihren Eltern gewohnt, als der Brand ausbrach.
Ihr Blick glitt zu einem weiteren Bild, auf dem ihre Mutter auf einer weißen Parkbank saß. Sie selbst saß als Vierjährige neben ihr und lugte neugierig auf das kleine Bündel in den Armen ihrer
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