Die Saat Der Makellosen
rhythmisches Schlagen ihren Körper im Takt zucken ließ.
Um sie herum lagen auf dem mit Bastmatten ausgelegten Boden lange, dunkle Strähnen ihres wunderschönen schwarzen Haares, das ihr süßes Gesicht bisher in wilden Locken umrandet hatte. Nico zuckte nicht einmal zusammen, sie verlangsamte nur den Takt der Trommelschläge, wohl um ihren Herzschlag zu beruhigen und ließ ihre ausgebreiteten Hände dann auf der Trommel zum Ruhen kommen, die bestimmt wund vom andauernden Aufschlagen waren.
Vorsichtig näherte er sich seinem Kind und ging neben ihr in die Knie, bis sie den Kopf hob und ihn mit glasigen Augen ansah. Sie war in tiefer Trance gewesen. Eine Fähigkeit, die sie schon seit frühester Kindheit beherrscht hatte. Er hob die Hand und legte sie vorsichtig auf die feuchte Wange seiner Tochter, die Visionen machten sie oft weinen. Aber es konnte auch der Schweiß der Anstrengung sein oder eine Mischung von beidem.
„Babu! Sei nicht böse! Du weißt doch, dass wir manchmal Opfer bringen müssen, oder nicht? Dies hier ist ein kleines, das ich gerne geleistet habe… Deines wird viel schwieriger zu ertragen sein! Du weißt, dass Du mich ziehen lassen musst! Ich habe es schon zu lange vor mir her geschoben… Es macht mir genauso wie dir Angst, aber ich bin nicht alleine oder schutzlos! Ich muss gehen! Bald!“
Bernabé D’ Amores lächelte schmerzlich, als er der Erklärung seiner Tochter lauschte, die eine der jüngsten Santeras war, die jemals die Weihe zum Priester erhalten hatte. Dafür musste man eine sehr belastende Prozedur über sich ergehen lassen, die nur von der Prüfung übertroffen wurde, die er abgelegt hatte, um ein Babalao zu werden, der Hohepriester der Santeros. Nico könnte diesen Weg ebenfalls gehen, weil sie in ein paar Jahren bestimmt noch über viel mehr spirituelle Macht verfügen würde, doch das Schicksal wollte es anders.
Bisher hatte er es wie eine dunkle Wolke am Horizont wahrgenommen. Immerhin hatte es ihn das Leben seiner geliebten Frau Makena gekostet, die ein paar Monate nach der Geburt ihrer Tochter gestorben war. Nico war in Miami auf die Welt gekommen, nachdem er mit seiner schwangeren Frau beinahe fluchtartig seine alte Heimat verlassen hatte.
Nach ihren Papieren war sie Amerikanerin, doch ihre Wurzeln lagen tiefer. Viel tiefer. Und dennoch hatte er sie immer geliebt, als wäre sie sein eigen Fleisch und Blut. Wenn sie lächelte, dann erinnerte sie ihn immer an seine Frau, deren gütiges Herz sie am Ende das Leben gekostet hatte.
Bernabé fuhr mit beiden Händen durch die kurzen, beinahe zerrupften Strähnen ihres dunklen Haares und verzog bedauernd den Mund. Sie sah dadurch noch jünger aus und ihm kam der Vergleich mit einem frisch geschlüpften Küken in den Sinn.
Nico neigte den Kopf zur Seite und schob ihre rot schimmernden Lippen nach vorne, ohne wirklich zu schmollen. Sie sah eher aus, als wollte sie Abbitte leisten.
„Die Länge ist viel praktischer bei der Arbeit, Babu!“, sagte sie mit leicht belegter Stimme und benutzte die liebevolle Abkürzung seines Amtes als Kosewort. Niemand sonst würde es wagen, ihn so formlos anzusprechen, weil er diese wichtige Stellung in ihrer Gemeinde bekleidete. Aber hier waren sie Vater und Tochter, es ging um persönliche Dinge, die nichts mit der Gemeinschaft zu tun hatten.
„Es wächst doch nach, oder nicht?“, hauchte sie leise und ließ sich dann gegen seine Schulter sinken, um den Tränen freien Lauf zu lassen, die in ihr aufgestiegen waren, weil sie den Abschied genau wie er fürchtete.
Bernabé schloss sie fest in die Arme und drückte den zarten Körper seines Kindes an seine mächtige Brust.
„Nicht weinen, meine Kleine! Ich werde mich nicht mehr dagegen sperren! Du brauchst meine Unterstützung und die wirst Du auch bekommen! Es wird alles gut! Du wirst ja nicht alleine sein! Sie wird auf dich aufpassen, wie sie es schon dein ganzes Leben getan hat, als es deine Mutter nicht mehr tun konnte! Wir leben im 21. Jahrhundert! Was sind da schon Entfernungen? Wozu hast Du mir sonst beigebracht, mit dem Computer zu chatten, hm? Wir können uns dabei sogar sehen!“
Nico lachte leise durch die Tränen hindurch, die eine reinigende Wirkung hatten, wie der salzige Schweiß, der die ganze Zeit während ihrer Reise in die Vergangenheit geflossen war. Sie wusste um ihr Schicksal und das ihrer Mutter. Nur der Einblick in diese eine Nacht war ihr bisher verwehrt gewesen, weil sie nicht gewollt hatte, dass sie sich zu sehr
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