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Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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Erinnerung ab, aber er kann dieses Gesicht nicht finden. Ein gedungener Mörder, denkt er noch, dann spürt er, wie seine Lungen sich vergeblich dehnen wollen, er ringt nach Luft, er weiß, das ist das Gift, das in seinen Körper strömt und ihn lähmt, bis es das Atemzentrum erreicht hat. Seine Glieder zucken, brennen, werden taub. Er weiß zu viel. Wer zu viel weiß, muss sterben. So war es schon immer bei den Mächtigen. Dreitausend Euro extra monatlich auf ein Schweizer Konto für seine Berichte. Wie dumm er ist, er wusste doch von Anfang an, dass er einen Pakt mit dem Teufel eingegangen war.
10  
München
    Ich könnte erleichtert sein, denkt Henrik, als die Tür des Instituts für Gehirnforschung in Großhadern hinter ihm zufällt und er wieder im Freien steht. Dr. Krämer selbst hat sich sofort um die Untersuchung des Gehirns oder vielmehr dessen, was früher einmal Lukas’ Gehirn war, gekümmert.
    Er hatte sich vorher alles genau durchgelesen, wie man Gewebeschnitte einfärbt: Übersichtsfärbungen wie HE oder Färbung von bestimmten Strukturen, Markscheidenfärbung mit LFB-PAS, Zell- und Markscheidenfärbung nachKlüver-Barrera oder Versilberungsmethoden nach Gallays, Gomori oder Bielschowsky und schließlich alles über die PET-blot-Methode.
    Aber Henrik ist nicht erleichtert, er fühlt sich bedrückt, deprimiert, ängstlich. Übermüdung, sagt er sich und hebt den Kopf, um die frische Frühlingsluft einzuatmen und in den blauen Himmel zu sehen. Vielleicht hören dann endlich die marternden Kopfschmerzen auf. Doch ihm wird übel, als er hinaufsieht, seine Knie werden weich, der Boden unter seinen Füßen gibt nach, und sein Kopf, um Himmels willen, was ist mit seinem Kopf? Er kommt ihm vor wie ein Luftballon, ein riesiges Gebilde, das sich immer weiter aufbläht.
    Und wenn er auch … Er verbietet sich, weiterzudenken. Denken – kann er überhaupt noch denken? Was passiert gerade mit seinem Gehirn, wird es auch verflüssigt? Er torkelt, stolpert mitten hinein in die Menschengruppe, die ihm entgegenströmt, die Farben ihrer Kleider verschwimmen, werden zu bunten Flecken, eine wabernde Masse, die ihn aufsaugen wird … »He, pass auf!«, dringt eine Stimme von weit weg an sein Ohr. »Schlaf deinen Rausch woanders aus!«
    Er sitzt in seinem Gefängnis, in diesem Körper, der ihn nicht mehr trägt, er bringt kein Wort heraus, er geht zu Boden, eine bunte Woge schlägt über ihm zusammen. Bruchstücke schwarzer Buchstaben fliegen um seinen Kopf, er greift nach ihnen, will sie festhalten, doch sie rinnen ihm durch die Finger, was, was, was wollte er sagen? Tun? Was tut er hier? Ist das der Tod? Der Sturz in …
    »Henrik!« Eine Stimme reißt ihn zurück aus einem dunklen Schacht.
    Wo ist er? Seine Augen blicken in ein gleißendes Licht, so hell, dass er es nicht sehen kann. Gott …
    »Henrik, hören Sie mich?«, dringt die Stimme aus der Ferne zu ihm heran.
    Er nickt, glaubt, dass er nickt. Er sieht sich um, es ist schonNacht, der Mond steht als bleiche Scheibe über ihm. Im spärlichen Busch hinter den Schirmakazien und den aufragenden Felsen gehen vier Männer und tragen auf einer Bahre aus Ästen eine Gestalt, und er weiß ganz sicher, die Gestalt, das ist er. Warum bestraft ihr mich?, ruft er in die Dunkelheit . Ich hab doch alles getan, was ihr von mir verlangt habt! Er lauscht, doch niemand gibt ihm eine Antwort.
    »Henrik! Ich bin’s, Dr. Krämer, kennen Sie mich noch?«
    Krämer …
    Wer ist Krämer? Was ist Krämer? Ein Gesicht, da im grauen Nebel … Ist er wieder in Afrika?
11  
Paris
    Lejeune blickt auf das Schreiben neben ihrer leeren Espressotasse. Seit Minuten schon. Sie hat das Gefühl, als wäre sie aus der Zeit herausgefallen. Auf der Digitaluhr über der Tür wandern die Minutenzahlen, siebzehn, achtzehn, neunzehn … neununddreißig, vierzig … Doch es geht sie nichts an. Was wird geschehen, wenn sie einfach nur hier sitzen bleibt? Kann sie die Zeit bremsen, sie sogar dazu bringen, dass sie rückwärts läuft? Der Sonntag, an dem sie den Fall übernommen hat, hat ihn in seiner Entscheidung bestärkt. Und wenn sie keinen Dienst gehabt hätte? Wenn dieser Frost nicht umgebracht worden wäre? Wenn … dann … Hätte er dann nicht diesen Entschluss gefasst?
    Und wie stellst du dir vor, wie die Kinder leben sollen?, hat sie ihn gefragt. Scheidungskinder. Hin- und hergerissen zwischen Mutter und Vater.
    »Fühlen Sie sich nicht gut?« Davids Stimme dringt zu ihr und reißt sie aus ihren

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