Die Saat - Ray, F: Saat
Überlegungen.
»Wie kommen Sie darauf?« Ihm wird sie ganz sicher nicht den Triumph gönnen, dass sie vor ihm zusammenbricht.Hastig steht sie auf und bringt die Tasse zurück zur Maschine, sie muss in Bewegung bleiben, darf nicht grübeln . Von wegen die Zeit anhalten! Das ist nicht drin …
»Der Sprayer in diesem Redaktionsbüro«, Davids Stimme ist immer noch weit weg, »ist eindeutig jemand anders als der in Frosts Labor.«
»Aamu – oder wie hieß sie noch? – ist ja auch tot.« Aber dieser Harris ist ihr wieder durch die Lappen gegangen. Eine mehr als peinliche Situation. Sie hat die Mörderin von Frost und wahrscheinlich auch von Bohin und Lappé und Sylvie Harris. Das reicht ihren Vorgesetzten. Aber ihr nicht. Weitermachen. Nicht loslassen. Das hat sie all die Jahre durchgehalten.
»Was sagen die Kollegen über den Einbruch?«, will sie wissen.
David sieht stirnrunzelnd auf eine Notiz.
»Was ist?«
Er sieht auf, doch er sieht sie nicht an, sieht an ihr vorbei. Das ist seine Rache. Er lässt sich Zeit, bis er endlich spricht. »Die Tür wurde erst nachträglich aufgebrochen.«
»Was soll das heißen?«
»Ganz einfach«, sagt er überheblich, »jemand hat wohl zuerst mit dem Schlüssel aufgeschlossen und dann das Schloss bearbeitet, damit es nach Einbruch aussieht.«
Sie denkt kurz nach. »Überprüfen Sie doch mal die Finanzen von diesem Schmierblatt.«
Er nickt. »Erwarten Sie eine Nachricht von Brain Network? Kommt aus München, von der Zentrale des Europäischen Brain Network. Ein Dr. Krämer.«
»Ja, ja, lesen Sie schon.« Endlich, darauf hat sie gewartet.
»Sehr geehrte Madame Lejeune«, liest David, »ich will Sie nicht lange mit wissenschaftlichen Details aufhalten. Das von Ihnen eingesandte Hirngewebe«, David sieht auf. »Das Rattenhirn aus dem Labor von Frost?«
Sie nickt. »Das von der Ratte, die auf seinem Kopf saß.«
Er schluckt und verzieht das Gesicht, liest rasch weiter. »… weist eindeutig auf eine bisher noch unbekannte Prionenerkrankung hin. Bitte setzen Sie sich so schnell wie möglich mit uns wegen weiterer Detailfragen in Verbindung.«
»Prionenerkrankung … Glaubt dieser Professor, ich bin Spezialistin für so was?« Die Ignoranz von Gelehrten hat sie schon bei ihrem Vater wütend gemacht, der immer davon ausging, dass jeder, mit dem er sprach, sich genauso gut in mittelalterlicher Geschichte auskennen müsste wie er selbst.
»Soweit ich weiß, sind Prionen Eiweiße …«, fängt David an.
»Soweit Sie wissen? Schauen Sie lieber mal nach!«, fährt sie ihn an, und schon wieder lässt er sich ihren Ton gefallen. Sie quält ihn. Irène, er kann nichts dafür, dass Roland sich scheiden lassen will!
Er hackt wie ein Wahnsinniger auf seine Tastatur.
»Die Besonderheit des krank machenden Prions besteht darin, dass es sich von dem normalerweise im Gehirn vorkommenden Prion nur durch die räumliche Struktur unterscheidet … Es verbreitet sich, indem es die normalen Prione in die krank machende Struktur umformt … Somit entsteht eine Art Müll in den Neuronen … Das Prion wird meist durch Nahrung oder Bluttransfusionen zugeführt …« So viel weiß sie noch aus der Zeit des BSE-Skandals. Ronald wurde panisch, weil er – damals noch Anlageberater – jeden Tag einen Hamburger verschlang.
»Geben Sie mir mal seine Telefonnummer!« Sie winkt ungeduldig mit der Hand.
»Welche?«, fragt David konsterniert.
»Herrgott, die von diesem Krämer!«
Sie hat ihn gleich beim ersten Versuch am Apparat.
»Bonjour, Inspecteur Lejeune«, sagt er überraschenderweise auf Französisch. »Ich wollte gerade selbst versuchen, Sie zu erreichen.«
»Sehen Sie. Nun bin ich Ihnen zuvorgekommen. Fragen Sie, Professor, dann frage ich, falls dann noch eine Frage offen ist.« Irgendetwas in seiner Stimme und in seinem Akzent gefällt ihr, stellt sie fest.
»Es gibt eine merkwürdige Kohärenz«, beginnt er. »Wir hatten einen Todesfall in Hamburg vor einer Weile und jetzt einen in Afrika. Dort fanden wir das gleiche Prion.«
Sie wird hellhörig. »Ach … und welche Erklärung haben Sie dafür?«
»Im Moment noch gar keine. Soweit Sie mir mitgeteilt haben, wurden die Ratten nicht für Versuche hinsichtlich Prionenerkrankungen gehalten, oder?«, fragt er.
»Nein. Es ging um Antibiotikaresistenz.«
»Und wer hat die Forschungen …«
»Der Wissenschaftler wurde ermordet«, fällt sie ihm ins Wort.
»Oh …«
»Mehr darf ich leider nicht …« Sie muss abwägen, darf nicht durch
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