Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
Vom Netzwerk:
geschrien, Gerechtigkeit! Recht!
    Mühsam schleppt er sich ins Bad, erschrickt vor seinem Spiegelbild, das ein blasses, unrasiertes Gesicht mit dunklen Rändern unter den geröteten Augen zeigt. Er duscht, trocknet sich ab, zieht Jeans und den Norwegerpulli an.
    Er braucht etwas, das ihm wieder einen klaren Kopf verschafft. Kaffee. Oder Tee. Und Wasser. In der Küche schaltet er die Espressomaschine an, dezent knirschend mahlt sie die exquisiten Costa-Rica-Bohnen, der Duft erinnert ihn an die Wochenenden mit Sylvie und das gemeinsame Frühstück im Sommer auf der Dachterrasse oder im Winter im Bett. Wann kam der Bruch? Nach dem Tod ihres Vaters Ende des vergangenen Jahres? Sie hat 150 000 Euro geerbt. Hatte sie mehr erwartet von einem angesehenen Firmenberater? Mathilde, Sylvies Mutter, er müsste sie längst anrufen, sie hat ihm auf den Anrufbeantworter gesprochen.
    Er rührt zwei Löffel braunen Zucker in die Tasse und isst einen trockenen Toast aus dem Brotkasten dazu. Der Zucker lässt seinen Stoffwechsel wieder anspringen, er packt sein Notebook aus, das seit London noch in seiner Tasche steckt, lässt es hochfahren und liest online mehrere Zeitungen. Im Le Parisien findet er etwas über den Mord an Professor Jérôme Frost. Er überfliegt die Schilderung, wie man den Leichnam gefunden hat. Das hat ihm Lejeune bereits erzählt. Ihn interessiert das, was man über das Leben des Wissenschaftlers geschrieben hat. Es muss doch eine Verbindung zu Sylvie geben.
    Studium der Medizin und der Biologie in Paris, dann Anstellung in der Forschungsabteilung der Agrarfirma Edenvalley. Anschließend Professor an der Université Pierre et Marie Curie in Paris und Mitglied des wissenschaftlichen Gremiums der EFSA, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit in Parma. Sein Spezialgebiet waren Antibiotika, ihre Wirkung und ihre Verträglichkeit.
    Was, zum Teufel, hatte Sylvie mit ihm zu tun? Sylvie hat wieer Medizin in Paris studiert. Doch mehr Überschneidungen kann er nicht erkennen. Sylvie hat nach ihrem Studium ausschließlich in Kliniken gearbeitet. Offenbar war Professor Frost nicht verheiratet.
    Da klingelt sein Telefon.
    »Ethan?«
    »Pauline!« Er erkennt sofort ihre raue Stimme, die ihn stets an porösen Fels erinnert.
    »Ethan, es geht um … um Sylvie. Sie ist mein …«
    »Du bist damit beauftragt?« Das ist nicht möglich! Sie haben doch noch mehr Gerichtsmediziner. Warum ausgerechnet Pauline? Die Vorstellung, dass ausgerechnet Pauline gerade Sylvies Körper aufgeschnitten hat, jagt ihm einen Schauder über den Rücken.
    »Ethan, es tut mir leid … Ich muss dir etwas sagen, aber nicht am Telefon.«
    »Wo bist du?«
    »Im Institut. Aber wir können uns gern woanders …«
    »Nein. Ich komme. Ich will sie noch einmal sehen.«
    Sofort schnappt er die Autoschlüssel und seine Winterjacke von der Garderobe. Erst im Aufzug fragt er sich, warum er sich dem allen aussetzen will. Glaubt er, dass er sie jetzt, wo er mehr über sie weiß, mit anderen Augen sieht?
7
    Die Heizung läuft auf vollen Touren, dennoch friert Camille. Lucien und Annabelle sind schon weg. Nur sie und Christian sitzen stumm vor ihren Monitoren, den Tisch mit dem Leuchtkasten und den Stapeln voller Entwürfe einer Geschichte über Sportdoping zwischen sich, die sie nicht mehr interessiert. Sie hat schlecht geschlafen, ihr Vater geisterte als Tattergreis durch ihre Träume, während ihre Schwester wieeine Irre kicherte. Und die ganze Zeit konnte sie nicht aufwachen, musste immer weiter träumen. Als um sechs der Wecker piepste, hat sie sich gefühlt, als wäre ihr Gehirn durch den Fleischwolf gedreht worden. So etwas machen Forscher, hat sie gestern gelesen. Drehen das Gehirn von Salamandern durch den Fleischwolf und injizieren es ihnen wieder. Das Erstaunliche: Die Tiere haben ihre erworbenen Fähigkeiten behalten. So stand es in dem Artikel. Vorstellen kann sie sich das nicht. Mit ihrem quasi-durchgemahlenen Gehirn hetzte sie in die Klinik, blieb eine halbe Stunde bei ihrem Vater, half ihm beim Frühstücken und quälte sich dann durch den Berufsverkehr in die Innenstadt zurück. Zwei Kannen grünen Tee, der ihr sonst immer auf die Beine hilft, haben sie heute nur nervös und fahrig gemacht, aber gut, sie hat den Tag so gut wie rumgebracht. Noch eine halbe Stunde, dann macht sie sich wieder auf den Weg nach Saint-Louis. Sie kann ihren Vater doch nicht den ganzen Tag allein im Krankenhaus lassen! Camille hakt ihren Laufzettel ab, Edenvalley

Weitere Kostenlose Bücher