Die Saat - Ray, F: Saat
wird!«, unterbricht Clément Becker von den Grünen mit schnarrender Stimme. Sein Gesicht glüht jetzt schon rot, stellt Lejeune fest.
»Monsieur Becker«, sagt die Rousseau herablassend, »diese Bücher sind die einzigen Schulbücher, die viele dieser Kinder jemals zu Gesicht bekommen, und die Gentechnologie ist nur eines von vielen Themen, die dort beschrieben werden. Wäre es Ihnen lieber, die Schulbücher wären auf dem Stand von vor vierzig Jahren? Die Gentechnologie gehört zu unserer Gegenwart. Und wenn Sie Diabetiker wären – ich hoffe, Sie sind es nicht, Monsieur Becker –, dann wären Sie bestimmt sehr glücklich über die Errungenschaften der Gentechnologie, der Sie Ihr Insulin verdanken.«
Ein rascher Schwenk über das applaudierende Studiopublikum. »Du bist eine von den ganz Cleveren«, murmelt Irène. »Wir sprechen aber von Pflanzen, Madame Rousseau!«
»Nun …«, Océane Rousseau streicht anmutig eine Strähne zurück, »… wenn Sie wissen, wie wir sieben Milliarden Menschen, die heutige Weltbevölkerung, ohne verbesserte Anbaumethoden ernähren können, dann sagen Sie es mir. Denken wir doch mal an die Kartoffelkrankheit, die Irland nahezu entvölkert hat, weil die Menschen verhungert sind oder auswandern mussten. Es gibt Millionen von Schädlingen, die Mais, Weizen, Tomaten, Kartoffeln, Obst, einfach alles befallen. Die Bauern verlieren die Ernte und nicht selten denHof. Das können Sie und Ihre Partei doch nicht befürworten, Monsieur Becker.«
»Monsieur Becker«, beginnt die Moderatorin, doch Michel Grand, der Asket von Nature’s Troops, kommt ihm zuvor. »Und jetzt verliert der Bauer seinen Hof an Edenvalley, weil durch den Wind Edenvalley-Saatgut vom Nachbarn auf seine Felder geweht wurde und Edenvalley ihn anklagt, das patentierte Saatgut gestohlen zu haben.«
»Ach, das mag eine Praxis eines unserer Konkurrenten sein, aber doch nicht unsere.« Überlegenes Lächeln der Rousseau.
»Sie geben es nur nicht zu. Genauso wie Ihre Firma abstreitet, dass sie mit ihrer Geschäfts- und Lizenzpraxis indische Baumwollbauern in den Selbstmord treibt.«
»Das ist doch geradezu lächerlich. Ich bedaure zutiefst den Tod dieser Menschen. Meine Mutter war Inderin, ich stehe diesen Menschen sehr nahe, aber ihr Selbstmord ist nur zu verstehen, wenn man die indische Kultur kennt, das hat nichts mit der Baumwolle von Edenvalley zu tun, die übrigens dort fast überall angebaut wird. Wenn sie nicht gut wäre, dann hätten sich die Bauern für das Saatgut einer anderen Firma entschieden.«
Wieder meldet sich Becker zu Wort. »Genau das können sie gar nicht. Edenvalley hat fast alle anderen Saatgut-Firmen aufgekauft, und im letzten Jahr war ausschließlich Saatgut von Edenvalley auf den Märkten dort zu haben. Die Bauern haben keine Wahl. Sie müssen Edenvalley-Saatgut kaufen, wenn sie im Baumwollgeschäft bleiben wollen.«
»Außerdem braucht man viel weniger Herbizide als bei üblichen …«
»Lüge!« Vehement widerspricht Michel Grand von Nature’s Troops. »Inzwischen sind nämlich gewisse Pilze ganz scharf auf diese Herbizide und lagern sich mit Vorliebe an den Edenvalley-Baumwollwurzeln ab und schädigen sie. Die Baumwollausbeute ist viel geringer geworden, undgleichzeitig braucht man noch mehr Herbizide. Und das Edenvalley-Saatgut, nur nebenbei, ist vier Mal teurer als anderes.«
»Das sind massive Vorwürfe, Madame Rousseau.« Die Moderatorin hebt erwartungsvoll die Augenbrauen.
Lejeune dreht ihr Weinglas und wartet darauf, dass die Vizedirektorin ihre Ruhe verliert, doch sie antwortet weiterhin entspannt: »Nun, wir als global operierender Konzern sind ein beliebtes Ziel von derartigen Schmutzkampagnen, Madame Vernet. Erfolg zieht immer Neider an, das ist leider so. Sie, Monsieur Grand, können immer nur protestieren, wir von Edenvalley dagegen tun etwas!«
Becker lacht. »Ja, Sie tun wirklich etwas. Sie kontaminieren zum Beispiel den Mais in Mexiko!«
»Das ist wieder so eine infame Behauptung!«
Becker redet weiter: »Damit Sie anschließend Lizenzgebühren verlangen können. Und was passiert? Im Ursprungsland des Mais hat sich der ursprüngliche Mais bereits mit dem gentechnisch veränderten vermischt, er enthält inzwischen das Transgen, also ein Gen, das gar nicht in den Mais reingehört.«
»Moment!« Jetzt meldet sich der Wissenschaftler mit der dunklen Brille zum ersten Mal zu Wort. Er räuspert sich, setzt sich im Sessel zurecht. »Die gentechnisch veränderten Pflanzen
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