Die Saat - Ray, F: Saat
enthalten doch nicht irgendein Monster-Gen oder ein neu erfundenes, in geheimen Labors hergestelltes Horror-Gen! Die Gene sind alle schon da. Sie sind Bestandteile unserer Natur! Die gentechnisch veränderte Pflanze produziert somit kein unbekanntes Protein, sondern eben nur ein zusätzliches, eins, das in einem anderen Lebewesen unserer Erde bereits vorhanden ist.«
»Danke, diese Erklärung ist auch für unsere Zuschauer wichtig«, sagt die Moderatorin und lächelt ganz kurz.
»Das stimmt schon, aber …« Becker von den Grünen ergreift das Wort. »Noch mal zum Mais in Mexiko: Wissen Sie, was das Schlimme ist, außer den Lizenzgebühren, dieEdenvalley einfordert? Je nachdem, wo sich das Transgen in die Ursprungs-Maispflanze einbaut, verändert sich die Pflanze ganz unterschiedlich. Ja, es gibt bereits Monsterpflanzen – Mais mit veränderten Körnern, ungenießbaren Körnen, mit vier Rispen statt mit einer … Und wissen Sie, was das bedeutet? Unternehmen wie Sie, wie Edenvalley, hungern das Land aus, sie zwingen die Bauern, ihren gesamten Maisbestand abzutöten und nur noch das ›saubere‹ Edenvalley-Saatgut zu kaufen. Zu einem immens hohen Preis. Und von der Ernte darf kein Saatgut gewonnen und für die nächste Aussaat benutzt werden. Das verstößt gegen den Vertrag, den jeder Bauer mit Edenvalley abschließen muss.«
Michel Grand nickt heftig. »Und das betrifft nicht nur Mexiko. In den USA sind neunzig Prozent der Sojapflanzen genmanipuliert, in Argentinien ist es ähnlich, es scheint, dass Edenvalley sich so gut wie ungehindert die ganze Erde untertan machen kann. Edenvalley kauft Saatgutfirmen auf und meldet ein Patent nach dem anderen auf mehr und mehr Pflanzen an – bis schließlich alle Pflanzen Edenvalley gehören. Ist das die Welt, in der wir leben wollen?«
Applaus der Zuschauer. Die Kamera schwenkt auf die unbeeindruckte Vizedirektorin.
»Das ist wieder eine dieser Verschwörungstheorien …«, erwidert der Wissenschaftler.
Becker schüttelt den Kopf. »Nein, es ist die Wahrheit. Es gibt Fakten. Es gibt Nobelpreise für Menschen, die genau dagegen kämpfen, gegen einen Konzern wie Edenvalley. Oder denken Sie an Professor Alfred Hirsch in Tromsø, der im vergangenen Jahr den Whistleblower-Preis für couragiertes Handeln in der Wissenschaft erhalten hat.«
Wieder Applaus.
Michel Grand schaltet sich ein. »Und noch etwas: Neunzig Prozent aller gentechnisch veränderten Organismen ›gehören‹ schon jetzt Edenvalley – und das geradezu Geniale, dasDiabolische ist, dass sie alle gegen das von Edenvalley hergestellte Herbizid resistent sind. Noch mal ganz deutlich: Das Herbizid von Edenvalley ist ein Totalherbizid, es tötet alles, nur die Edenvalley-Pflanzen nicht.«
Dann wieder Becker: »Damit nicht genug, ich muss den Kollegen unterstützen, dieses Herbizid, Weezero, Sie wissen schon, weed zero – null Unkraut, Weezero enthält den Wirkstoff Glyphosat, der eindeutig Krebs erzeugt …«
»Das wird in der einen oder anderen Studie behauptet«, fällt ihm Océane Rousseau ins Wort. »Auf diese Weise versetzen Sie, Monsieur Becker, und Ihre Partei auf plumpe Art und Weise die Menschen in Angst und Schrecken. Zudem zitieren Sie Studien, bei denen es massive Fehler im Versuchsaufbau …«
»Das ist eine dreiste Behauptung, Madame Rousseau!«, wehrt sich Grand. »Außerdem werden beim Gentransfer auch Antibiotika eingesetzt, die angeblich unschädlich sind. Aber was passiert? Die Zahl von antibiotikaresistenten Tuberkuloseerkrankungen hat sich erhöht. Gegen die hilft nichts mehr. Wir sind machtlos.«
Océane Rousseau lacht. Erste Anzeichen von Nervosität?
»Aber ich bitte Sie, meine Herren! Die wenigen Antibiotika, die noch als Selektionsmarker in der Gentechnik eingesetzt werden, werden klinisch überhaupt nicht mehr verwendet! Die erhöhte Zahl von antibiotikaresistenten bakteriellen Krankheiten ist auf den wahllosen und viel zu häufigen Einsatz von Antibiotika in der Klinik und in der Tiermast zurückzuführen! Wir von Edenvalley benutzen ausschließlich Marker, die nicht klinisch relevant sind.«
»Das ist beruhigend«, sagt die Moderatorin. Wohl um die Vizedirektorin nicht ganz allein dastehen zu lassen.
Becker hebt die Arme. Unter seinem Hemd haben sich dunkle Schweißflecken gebildet. »Hören Sie doch auf, Lügen zu verbreiten, Madame Rousseau! Das Fatale angenverändertem Saatgut ist: Wir können nicht mehr zurück. Die DNA dieser neu generierten Pflanzen verbreitet sich
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