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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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angrenzenden Wände wurden durchgerüttelt. Ein Bild, das einen Mann und seinen Sohn auf der Jagd zeigte, fiel vom Nagel, der Rahmen zerbrach. Neeva kroch bis zum Ende der Diele. Mit der Schulter stieß sie den Schirmständer um - in dem auch ein Baseballschläger steckte. Dankbar griff sie nach dem Schläger, umklammerte den Griff, sah zur Tür.
    Das Holz hielt stand. Diese alte Tür, über die sie sich immer ärgerte, wenn sie in der Sommerhitze aufquoll und praktisch im Rahmen festklebte, war stark genug, um dem Wesen der Dunkelheit zu widerstehen.
    Plötzlich Stille.
    Neevas Blick fiel auf die Weihwasserlache. Sogar die Macht von Jesus hatte nichts ausrichten können. Wenn die Tür nicht gewesen wäre ...
    »Neeva?«
    Keene Luss stand in Jogginghose und T-Shirt hinter ihr.
    Neeva sprang schneller auf, als sie es je für möglich gehalten hätte, legte eine Hand auf den Mund des Jungen und schob ihn um die nächste Ecke. Dort blieb sie mit dem Rücken zur Wand stehen, Keene fest an sich gedrückt.
    Hatte das Ding vor der Tür die Stimme des Jungen gehört? Neeva spitzte die Ohren. Keene zappelte und versuchte, etwas zu sagen. »Psssst! Ruhig!«, flüsterte sie.
    Dann hörte sie wieder das Quietschen. Sie umklammerte den Jungen noch fester, während sie sich vorbeugte und einen Blick um die Ecke riskierte.
    Der Briefschlitz wurde von einem schmutzigen Finger aufgehalten. Neeva zog den Kopf blitzschnell zurück - nicht ohne einen flüchtigen Blick auf zwei glühend rote Augen zu erhaschen.
     
    Im Anschluss an ein spätes Abendessen mit den Leuten von der Plattenfirma fuhr Gabriel Bolivars Manager Rudy Wain mit dem Taxi zum Stadthaus seines Schützlings. Nach dieser Flugzeuggeschichte machten Gerüchte über Bolivars Gesundheitszustand die Runde, ja es gab sogar ein Paparazzo-Foto, das ihn im Rollstuhl zeigte. Rudy war es nicht gelungen, Gabe telefonisch zu erreichen, also hatte er entschieden, ihn persönlich in Augenschein zu nehmen.
    Als Rudy vor dem Haus an der Vestry Street aufkreuzte, waren weit und breit keine Paparazzi in Sicht. Auf dem Bürgersteig lungerten lediglich ein paar rauchende, ziemlich zugedröhnt wirkende Gruftis herum. Sie standen erwartungsvoll auf, als Rudy die Stufen zur Eingangstür hinaufging. »Was geht denn hier ab?«, fragte er.
    »Wir haben gehört, er hat ein paar Leute reingelassen.«
    Rudy sah die Fassade hinauf. Kein Licht, nicht mal oben im Penthouse. »Tja, anscheinend ist die Party vorbei.«
    »Es war keine Party«, sagte ein etwas pummeliger Junge, der sich eine Nadel durch die Wange gezogen hatte, von der bunte elastische Bänder herabhingen. »Er hat sogar die Paparazzi reingelassen. «
    Rudy zuckte mit den Achseln, tippte den Zugangscode ein, betrat das Haus und drückte die Tür hinter sich ins Schloss. Wenigstens schien Gabe sich wieder besser zu fühlen ... Er ging an den schwarzen Marmor-Panthern vorbei ins dunkle Foyer. Keine der Baustellenlampen brannte, und die Lichtschalter waren immer noch nicht angeschlossen. Rudy dachte kurz nach, dann zog er sein Blackberry heraus, schaltete die Beleuchtung des Displays ein und schwenkte das blaue Licht herum. Vor der Treppe sah er einen Haufen teurer Spiegelreflex- und Videokameras aufgestapelt. Die Waffen der Paparazzi, zurückgelassen wie Schuhe am Rande eines Swimmingpools.
    »Hallo?« Seine Stimme hallte dumpf durch die unteren Stockwerke.
    Er stieg die geschwungene Marmortreppe hinauf, folgte der blauen Pfütze aus elektronischem Licht, die das Blackberry auf die Stufen warf. Er musste Gabe unbedingt für die Roseland-Show kommende Woche begeistern. Außerdem gab es um Halloween herum noch ein paar Konzerttermine in den Staaten, auf die er sich vorbereiten sollte.
    Er erreichte das oberste Stockwerk. Bolivars Suite. Auch hier war alles dunkel.
    »Hey, Gabe. Ich bin's, Mann. Sag was, Alter, ich will ja nicht bei irgendwas reinplatzen! «
    Es war viel zu still hier. Rudy drückte die Tür zum Schlafzimmer auf, ließ den Lichtschein herumwandern, sah, dass die Bettlaken zerwühlt waren - doch weit und breit kein Gabe. Wahrscheinlich zog er wie üblich um die Häuser. Hier jedenfalls war er nicht.Rudy ging in das große Bad, um schnell mal zu pinkeln.
    Auf der Ablage entdeckte er ein geöffnetes Fläschchen Vicodin, daneben ein kristallenes Cocktailglas, das nach Alkohol roch. Er überlegte kurz, dann nahm er sich zwei Pillen aus dem Fläschchen, spülte das Glas im Waschbecken aus und schluckte die bei den Pillen mit

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