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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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so schien es ihm, sachlicher. Vielleicht auch mütterlicher. Sie umklammerte die Kante der Arbeitsfläche, und er bemerkte auf ihren Knöcheln die feinen Schnittverletzungen von Papierbögen, die die Arbeit als Lehrerin mit sich brachte.
    Sie hatte ihm eine Halbliterpackung Milch aus dem Kühlschrank gegeben. » Du hast immer noch Vollmilch im Haus?«, fragte er.
    »Z mag sie. Er will so sein wie sein Vater.«
    Eph trank einen Schluck. Die Milch war erfrischend, erzeugte jedoch nicht das gewohnt beruhigende Gefühl. Er sah Matt auf der anderen Seite der Durchreiche auf einem Sessel sitzen und so tun, als würde er nicht ständig zu ihnen hinübersehen.
    »Er ist dir in so vielen Dingen ähnlich«, sagte Kelly. »Ich weiß.«
    »Je älter er wird, desto mehr ähnelt er dir. Er ist stur. Anspruchsvoll. Brillant.«
    »Ganz schön hart, damit bei einem Elf jährigen klarzukommen, was?«
    Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Da bin ich wohl auf Lebenszeit verflucht, schätze ich.«
    Eph lächelte ebenfalls. Es fühlte sich seltsam an, eine Übung, die sein Gesicht seit Tagen nicht mehr ausgeführt hatte. »Hör zu«, sagte er. »Ich habe nicht viel Zeit. Ich will nur ... ich möchte, dass alles wieder gut wird. Oder wenigstens, dass alles zwischen uns einigermaßen okay ist. Die Sorgerechtsgeschichte, dieser ganze Schlamassel - das hat uns beide ziemlich mitgenommen, und ich bin froh, dass es vorbei ist. Aber ich bin nicht hergekommen, um große Reden zu schwingen, ich wollte nur ... ich finde, jetzt ist der richtige Augenblick, um reinen Tisch zu machen.«
    Kelly sah ihn an, schien nach Worten zu suchen. »Du musst jetzt nichts sagen, ich wollte nur ... «
    »Nein.« Sie hob die Hand. »Es tut mir leid. Es tut mir leid, dass alles so gekommen ist. Ehrlich. Ich weiß, dass du das niemals so beabsichtigt hast. Ich weiß, du wolltest, dass wir zusammenbleiben. Z zuliebe.«
    »Natürlich.«
    »Aber das konnte ich nicht - ich konnte es einfach nicht.
    Und dann hat natürlich auch noch eine Rolle gespielt ... dass ich dir wehtun wollte. Ja, so war's, ich geb's zu. Und das mit Zack - das war die einzige Möglichkeit, genau das zu tun.«
    Er atmete tief aus. Endlich gab sie zu, was er schon die ganze Zeit über gewusst hatte. Aber dabei empfand er nicht das geringste Gefühl der Befriedigung.
    »Ich brauche Zack, und das weißt du. Z ist ... er ist mein Ein und Alles. Ich glaube, ohne ihn gäbe es mich nicht mehr. Egal, ob das nun gut ist oder nicht - aber so ist es nun mal. Er bedeutet mir
alles.
Genau wie du früher.« Sie unterbrach sich, um ihre Worte wirken zu lassen. »Ohne ihn bin ich verloren. Ich wäre ... «
    »Du wärst wie ich.«
    Sie erstarrte. Sie standen einander gegenüber und sahen sich an.
    »Hör zu«, sagte Eph nach einer Weile, »ich übernehme einen Teil der Schuld. Für uns, für dich und mich. Ich weiß, ich bin nicht der ... der was auch immer, der umgänglichste, einfachste Kerl der Welt, der ideale Ehemann. Und Matt ich weiß, ich habe in der Vergangenheit ein paar Dinge gesagt ... «
    »Du hast ihn mal mein >Trostleben< genannt.«
    Eph zuckte unmerklich zusammen. »Nun, wenn ich der Manager einer Sears-Filiale wäre, wenn ich einen Job hätte, der nichts anderes als ein Job ist und keine weitere Ehe - vielleicht hättest du dich dann nicht so allein gefühlt. Und so betrogen.«
    Sie schwiegen einen Augenblick, und Eph begriff, dass größere Probleme die Tendenz hatten, die kleineren zu verdrängen. Dass ein Kampf auf Leben und Tod dazu führte, dass persönliche Probleme bereitwillig beiseitegeschoben wurden.
    Schließlich fuhr sich Kelly durch das Haar. »Ich weiß, was du jetzt sagen willst. Du willst sagen, dass wir dieses Gespräch schon vor vielen Jahren hätten führen sollen.«
    »Das hätten wir, ja. Aber wir konnten nicht. Es hätte nicht funktioniert. Vorher mussten wir diese ganze Scheiße hinter uns bringen. Glaub mir, ich hätte alles dafür gegeben, es nicht so weit kommen zu lassen - nicht eine einzige Sekunde davon durchmachen zu müssen -, aber hier stehen wir nun. Wie zwei alte Bekannte.«
    "Das Leben verläuft nicht immer so, wie man sich es vorstellt. «
    »Nach allem, was meine Eltern durchgemacht haben, was sie mich haben durchmachen lassen, habe ich mir immer geschworen: niemals, niemals, niemals.«
    »Ich weiß.«
    »Also vergessen wir, wer woran Schuld hat. Was wir jetzt tun müssen, ist: Wir müssen es ihm gegenüber wiedergutmachen.«
    » J a, das machen

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