Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
Vom Netzwerk:
machen zu müssen oder um das Morgen nach dem Morgen ...
    Eine Brise fuhr in die Bäume auf der Terrasse und rauschte in den Zierpflanzen. Palmer sah zum größeren Haus hinüber - als er ein leises Rascheln hinter sich hörte.
    Wie der Saum eines Kleidungsstücks auf dem Boden. Der Saum eines schwarzen Gewands.
    Haben wir nicht vereinbart, die erste Woche verstreichen zu lassen, ohne uns zu sprechen?
    Die Stimme - so vertraut wie unheimlich - jagte einen Schauer über Palmers verwachsenen Rücken. Hätte er sich nicht von der Terrasse abgewandt - aus Respekt wie auch aus bloßer, nur allzu menschlicher Abscheu -, dann hätte er gesehen, dass sich der Mund des Meisters nicht bewegte. Kein Laut entwich hinaus in die Nacht.
    Palmer spürte die Präsenz hoch über seiner Schulter und hielt den Blick fest auf die gewölbten Türen gerichtet. »Willkommen in New York!« Zu seinem Missfallen musste er feststellen, dass er beim Sprechen ängstlich krächzte.
    Als der Meister nichts erwiderte, versuchte Palmer, seine Autorität wieder geltend zu machen. »Ich muss sagen, dass ich diesen Bolivar zutiefst missbillige. Ich weiß wirklich nicht, warum Sie ausgerechnet ihn auswählen mussten.«
    Es ist mir gleichgültig, wer er ist.
    Palmer begriff, dass der Meister Recht hatte. Was machte es schon, dass Bolivar ein geschminkter Rockstar war? »Warum haben Sie diese vier bei Bewusstsein gelassen? Das hat Probleme aufgeworfen.«
    Zweifelst du an mir?
    Palmer schluckte. Er war in diesem Leben - unter den Menschen - ein Königsmacher, der niemandem untertan war. Das Gefühl von Unterwürfigkeit war ihm so fremd, wie es nun überwältigend war. »Jemand ist Ihnen auf der Spur«, sagte er schnell. »Ein Mediziner, ein Krankheitsjäger. Hier in New York.«
    Was kann ein einzelner Mann mir anhaben?
    »Er - sein Name ist Dr. Ephraim Goodweather - ist ein Fachmann auf dem Gebiet der Seuchenbekämpfung.«
Überhebliche kleine Äffchen. Eure Art ist die Seuche nicht wir.
    »Dieser Goodweather hat einen ... Berater. Ein Mann mit detailliertem Wissen über Ihre Art. Er kennt die Überlieferungen und weiß auch das eine oder andere über Ihre Biologie. Die Polizei sucht nach ihm, aber ich denke, dass hier entschlossenere Maßnahmen erforderlich sind. Ich glaube, dass dies den Unterschied zwischen einem schnellen, endgültigen Sieg und einem langwierigen Kampf bedeuten könnte. Schließlich haben wir noch viele Schlachten zu schlagen, sowohl an der menschlichen Front als auch an anderen.«
    Ich werde triumphieren.
    »Ja, natürlich.« Doch Palmer wollte den alten Mann für sich allein haben, wollte seine Identität bestätigt wissen, ohne dem Meister allzu viele Informationen zu geben; also versuchte er, nicht an diesen Mann zu denken - in dem Wissen, dass man in Gegenwart des Meisters seine Gedanken besser schützte ...
    Ich kenne ihn. Unsere Wege haben sich schon einmal gekreuzt.
    Palmer erstarrte angesichts dieser Demütigung. Der Meister las in ihm wie in einem offenen Buch. »Sie werden sich erinnern, dass ich sehr lange gebraucht habe, um Sie zu finden. Meine Reisen haben mich um die ganze Welt geführt, in Sackgassen und auf Umwege - es gab viele Menschen, mit denen ich mich befassen musste. Er war einer von ihnen.« Er versuchte, das Gespräch in seinem Sinne zu steuern, aber sein Verstand war wie benebelt. In der Gegenwart des Meisters fühlte er sich wie Öl in der Nähe eines brennenden Dochts.
    Dieser Goodweather
-
ich werde mich schon bald um ihn kümmern.
    Palmer hatte eine Liste mit Hintergrundinformationen über den CDC-Epidemiologen vorbereitet. Er zog das Blatt aus seiner Jackentasche, faltete es auseinander und legte es auf den kleinen Tisch neben sich. »Hier steht alles, Meister. Seine Familie, Kollegen ... «
    Etwas scharrte über die Kacheln des Tisches, und das Blatt Papier wurde fortgenommen. Palmer erhaschte lediglich einen flüchtigen Blick auf die Hand des Meisters. Der Mittelfinger war gekrümmt und viel länger und dicker als die anderen.
    »In einigen Tagen ist es so weit«, sagte er dann.
    Im Inneren der Residenz des Rockstars schien irgendeine Art von Streit ausgebrochen zu sein. Palmer hatte das zweifelhafte Vergnügen gehabt, das sich noch in der Renovierung befindliche Doppelhaus zu durchqueren, um zu seiner Verabredung auf der Dachterrasse zu gelangen. Ganz besondere Abneigung hegte er gegen den einzigen fertiggestellten Teil des Domizils, das Schlafzimmer im Penthouse, das lächerlich grell eingerichtet war

Weitere Kostenlose Bücher