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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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und nach animalischer Lust stank. Palmer selbst war noch nie mit einer Frau zusammen gewesen. In seiner Jugend war er zu krank dafür gewesen, und die Predigten seiner beiden Tanten, die ihn aufgezogen hatten, hatten ihr übriges getan. Und später hatte er aus freiem Willen auf alles Fleischliche verzichtet.
    Er war zu der Erkenntnis gelangt, dass die Reinheit seiner sterblichen Hülle niemals von Lust und Verlangen befleckt werden sollte.
    Der Streit im Haus wurde lauter, der unverkennbare Lärm einer gewalttätigen Auseinandersetzung.
    Dein Mann ist in Bedrängnis.
    Palmer beugte sich vor. Mr. Fitzwilliam war im Haus; er hatte ihm ausdrücklich verboten, die Dachterrasse zu betreten. »Aber Sie haben mir seine Sicherheit garantiert.« Palmer hörte das Stampfen rennender Füße. Er hörte Ächzen und Stöhnen. Einen Schrei ... »Halten Sie sie zurück!«
    Er ist nicht derjenige, den sie suchen.
    Die Stimme des Meisters klang weiterhin gelangweilt und unbeeindruckt.
    Palmer erhob sich. Sprach der Meister vielleicht von ihm?
    War das hier eine Art Falle? »Wir haben eine Vereinbarung!«
    Ja. Solange es mir gefällt.
    Palmer hörte einen weiteren Schrei, ganz nah, gefolgt von zwei schnellen Schüssen. Dann flog eine der gewölbten Türen auf, und Mr. Fitzwilliam kam herausgestürmt, hundertachtzehn Kilo Ex-Marine in einem teuren Maßanzug. Er hatte die Pistole in der rechten Hand, und in seinen Augen stand Panik. »Sir - sie sind direkt hinter mir ... « In diesem Moment wanderte sein Blick von Palmers Gesicht zu der unfassbar großen Gestalt, die hinter seinem Chef stand. Die Waffe entglitt ihm und fiel scheppernd auf die Fliesen. Jegliche Farbe wich aus seinem Gesicht, und einen Augenblick lang schwankte er wie ein Mann, der am Galgen baumelt. Dann fiel er auf die Knie.
    Hinter ihm stürmten die Vampire die Terrasse. Sie waren alle unterschiedlich gekleidet - von Geschäftsanzügen über Gothic-Outfits bis zur lässigen Freizeitkleidung der Paparazzi. Ihre Sachen waren schmutzig und abgewetzt, da sie sich im Dreck verkrochen hatten. Sie kamen, als wären sie von einer Hundepfeife herbeigerufen worden.
    Ihnen voran Bolivar selbst, ausgemergelt, fast haarlos und in ein schwarzes Gewand gehüllt. Als Vampir der ersten Generation war er bereits weiter entwickelt als die Übrigen. Sein Fleisch hatte eine blutleere, alabasterne Blässe, die beinahe zu leuchten schien, und seine Augen waren wie tote Monde.
    Neben ihm ein Groupie, dem Fitzwilliam mitten ins Gesicht geschossen hatte. Ihr Jochbein war geborsten und die Haut bis zum schiefen Ohr aufgeplatzt, was ihr ein halbseitiges, zähnefletschendes Grinsen verlieh.
    Sie hielten alle inne und starrten den Meister mit schwarzäugiger Ehrfurcht an.
    Meine Kinder.
    Niemand beachtete Palmer, der zwischen ihnen und dem Meister stand. Die schiere Präsenz des Meisters ließ sie erstarren; sie versammelten sich vor ihm wie Wilde vor einem Götzenbild.
    Du hast große Mühen auf dich genommen, um mich hierherzubringen. Willst du mich nicht ansehen?
    Der Meister sprach immer noch auf jene Weise, von der Palmer glaubte, dass sie allein für seine Ohren gedacht war.
    Er hatte den Meister nur einmal zuvor erblickt, in einem dunklen Keller, auf einem anderen Kontinent. Nicht deutlich und doch - deutlich genug.
    Nun schloss er die Augen, konzentrierte sich, dann öffnete er sie wieder und zwang sich dazu, sich umzudrehen. Es war, wie eine Erblindung zu riskieren, indem man direkt in die Sonne sah.
    Palmers Blick wanderte von der Brust des Meisters hinauf zu ... seinem Gesicht.
    Das Grauen. Und die Herrlichkeit.
     
    Kelton Street, Woodside, Queens
     
    Das Barbarische. Und das Heilige.
    Der Anblick ließ Palmer sein eigenes Gesicht zu einer Maske der Angst verzerren, bis sich seine Mundwinkel schließlich zu einem triumphierenden Lächeln hoben.
    Sehet den Meister.
    Schnell durchquerte Kelly mit frischer Kleidung und Batterien in den Händen das Wohnzimmer, vorbei an Matt und Zack, die im Fernsehen die Nachrichten verfolgten.
    »Wir gehen«, verkündete sie und ließ die Sachen in eine Leinentasche auf dem Stuhl fallen.
    Matt drehte sich lächelnd zu ihr um. »Jetzt komm schon, Baby.«
    »Hast du mir nicht zugehört?«
    »Doch. Ruhig und geduldig.« Er stand von seinem Sessel auf. »Hör zu, Kel, dein Ex zieht wieder mal seine Show ab, siehst du das denn nicht? Wenn die Lage wirklich so ernst wäre, würden die Behörden uns das auch mitteilen.«
    »0 ja, natürlich. Die Politiker sagen

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