Die Saat
Heimatschutzministerium. Alle.«
Das Canary-Projekt war ein Team von Epidemiologen, deren Aufgabe darin bestand, biologische Bedrohungen bereits im Ansatz zu erkennen und schnellstmöglich einzugrenzen. Sein Zuständigkeits bereich umfasste beides: natürliche Epidemien wie Virusinfektionen oder das Q-Fieber und von Menschen verursachte Seuchen - wobei es vor allem Canarys möglicher Einsatz im Falle von Bioterrorismus war, der die Finanzierung sicherstellte. New York City war die Schaltzentrale, mit kleineren Satelliten-Teams in den Universitätskrankenhäusern von Miami, Los Angeles, Denver und Chicago.
Das Programm hatte seinen Namen von dem alten Trick der Kohlebergleute, stets einen Kanarienvogel mit unter Tage zu nehmen. Der hochsensible Stoffwechsel des knallgelben Vogels reagierte auf feinste Spuren von Methan und Kohlenmonoxid, noch bevor diese eine toxische oder explosive Menge erreichten - die Gase bewirkten, dass der normalerweise trällernde Vogel still wurde, auf seiner Stange zu schwanken begann und schließlich herunterfiel. Ein grausames, aber effizientes biologisches Frühwarnsystem.
Im 21. Jahrhundert hatte jeder Mensch das Potenzial zu einem solchen Kanarienvogel. Die Aufgabe von Ephs Team war es, diese Menschen zu isolieren, wenn sie aufhörten zu singen, sie zu behandeln und eine Ausbreitung der Infektion zu verhindern.
»Was ist da los, Everett?«, fragte Eph. »Ist jemand an Bord gestorben?«
»Sie sind alle tot, Ephraim. Jeder Einzelne«, erwiderte der Direktor.
Kelton Street, Woodside, Queens
Kelly Goodweather saß an dem kleinen Küchentisch Matt Sayles gegenüber, ihrem Lebenspartner - »Freund« klang zu jung, »bessere Hälfte« zu alt. Sie teilten sich eine selbst gemachte Pizza mit Pesto, Tomaten und Ziegenkäse. Einige Scheiben Prosciutto locker darübergelegt und eine Elfdollarflasche Merlot rundeten die Sache ab. Der Fernseher war auf NY I gestellt - Matt wollte die Nachrichten sehen. Was Kelly betraf, so waren Rund-um-die-Uhr-Nachrichten die Pest.
» Tut mir leid«, sagte sie noch einmal.
Matt verzog den Mund zu einem Lächeln und deutete mit seinem Weinglas träge einen Kreis in der Luft an.
»Es ist natürlich nicht meine Schuld. Aber wir hatten geplant, dass \yir dieses Wochenende nur für uns hätten ... «
Matt wischte sich den Mund an der Serviette ab, die er in den Hemdkragen gestopft hatte. »Er findet doch immer einen Weg, sich zwischen uns zu drängen. Und ich rede jetzt nicht von Zack.«
Kelly sah auf den dritten,
leeren
Stuhl am Küchentisch.
Zweifellos hatte sich Matt auf das Wochenende ohne Zack gefreut; solange der Kampf um das Sorgerecht noch nicht entschieden war, verbrachte Zack einige Wochenenden bei Eph in dessen Wohnung in Lower Manhattan. Was für sie beide ein romantisches Abendessen zu Hause bedeutete, mit den üblichen sexuellen Erwartungen seitens Matt - die Kelly bedenkenlos erfüllte und die zwangsläufig das Extraglas Wein wert waren, das Kelly sich erlauben würde.
Aber gut, nicht heute. Und so leid es ihr für Matt tat, war sie selbst eigentlich eher froh darüber.
»Ich mache es wieder gut«, sagte sie und zwinkerte. Matt lächelte niedergeschlagen. »Abgemacht.«
Das war eines der Dinge, die das Leben mit Matt so angenehm machten. Nach Ephs Launenhaftigkeit, seinen Temperamentsausbrüchen, seiner stets fordernden Persönlichkeit, dem Quecksilber, das in seinen Adern pulsierte, brauchte sie einfach ein ruhigeres Fahrwasser. Sie hatte Eph viel zu jung geheiratet, hatte auf viel zu viel verzichtet - ihre eigenen Bedürfnisse, Ambitionen, Wünsche -, während sie ihm geholfen hatte, seine Karriere voranzutreiben. Hätte sie den Mädels aus der vierten Klasse der Jackson-Heights-School, wo sie unterrichtete, einen guten Rat fürs Leben geben sollen, dann wäre das gewesen: Heiratet niemals ein Genie. Besonders kein gut aussehendes. Bei Matt fühlte sie sich wohl, ja genoss es sogar irgendwie, in ihrer Beziehung das Sagen zu haben. Jetzt war sie an der Reihe ...
Im Fernsehen flippten sie gerade wegen der Sonnenfinsternis aus, die am nächsten Tag stattfinden sollte. Ein Reporter probierte verschiedene Modelle von Sonnen brillen aus und bewertete sie nach ihrem jeweiligen Schutz für die Augen. Im Hintergrund sah man einen T-Shirt-Stand im Central Park, dessen Verkaufsrenner verkündete: KÜSS MICH AUF DIE EKLIPPSENl Die Moderatoren im Studio rührten die Werbetrommel für die »Komplette Liveübertragung« am morgigen
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