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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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Schutzbereich und schob sich durch den schmalen Spalt zwischen den Hangartüren hinaus in das schwindende Tageslicht. In Gedanken suchte er nach einer Möglichkeit, sich aus der Affäre zu ziehen, als er den Vibrationsalarm des Handys in seiner Hosentasche spürte. Er holte es heraus. Auf dem Display erschien das Symbol eines sich langsam drehenden Briefumschlags. Eine SMS, gesendet von Matts Handy. Eph öffnete sie:
     
    Yanks 4 Sux 2.
super plätze.
hätt dich gern hier. Z
     
    Eph starrte auf die Nachricht seines Sohnes, bis sie vor seinen Augen verschwamm. Er blickte auf und sah seinen Schatten auf dem Rollfeld des Flughafens. Seinen Schatten, der - sofern er nicht schon unter Halluzinationen litt - langsam anfing, sich aufzulösen.
     

Verfinsterung
     
    Nahende Schatten
     
    Die Spannung unter den Zuschauern stieg, als aus dem kleinen dunklen Fleck an der Westseite der Sonne - astronomisch ausgedrückt der »erste Kontakt« des Mondes - eine langsam anwachsende Schwärze wurde, die nach und nach die Nachmittagssonne verzehrte. Zunächst war kein Unterschied in Qualität oder Quantität des Lichts zu erkennen; nur dieser schwarze Bogen, der die für gewöhnlich so zuverlässige Sonne verdeckte, machte den Tag einzigartig.
    Tatsächlich ist der Ausdruck »Sonnenfinsternis« keine ganz korrekte Bezeichnung. Eine Finsternis liegt dann vor, wenn ein Himmelskörper in den Schatten eines anderen Himmelskörpers tritt. Bei einer Sonnenfinsternis schiebt sich der Mond jedoch
zwischen
Sonne und Erde, verdeckt die Sonne,
verursacht
so erst den Schatten. Der richtige Ausdruck ist daher »Okkultation«: Der Mond »bedeckt« die Sonne, er steht direkt vor ihr und wirft dabei einen kleinen Schatten auf die Erdoberfläche. Keine »Sonnenfinsternis« eine »Erdfinsternis «.
    Der Abstand zwischen Erde und Sonne ist etwa vierhundertmal so groß wie der Abstand des Mondes zur Erde. Es ist ein interessanter Zufall, dass der Durchmesser der Sonne ebenfalls etwa vierhundertmal so groß ist wie der Durchmesser des Mondes. Deshalb scheinen, von der Erde aus betrachtet, die Fläche des Mondes und die Photosphäre der Sonne - ihre leuchtende Scheibe - ungefähr gleich groß zu sein.
    Eine vollständige Okkultation ist nur während der Neumondphase möglich. Außerdem muss sich der Mond im Perigäum befinden, an jenem Punkt seiner Umlaufbahn, der der Erde am nächsten kommt. Die Dauer dieser »Totalität« hängt von der Mondumlaufbahn ab, ist jedoch nie länger als sieben Minuten und vierzig Sekunden. Die nun bevorstehende Okkultation würde exakt vier Minuten und siebenundfünfzig Sekunden dauern. Beinahe fünf Minuten finstere Nacht mitten an einem wunderschönen frühherbstlichen New Yorker Nachmittag.
     
    Die Sonne war inzwischen zur Hälfte vom Neumond verdeckt, und am immer noch hellen Himmel dämmerte es: ein Sonnenuntergang ohne warme Farbtöne. Das fahle Licht wirkte diffus, gefiltert; die Schatten verloren ihre klaren Konturen; es war, als würde jemand an einem riesigen Dimmer drehen.
    Und während die Sonnensichel hinter der Mondscheibe immer schmaler wurde, loderte ihr Glanz wie in Panik auf.
    In weiten Teilen Kanadas und der USA sollte es bei einer partiellen Finsternis bleiben; die Totalitätszone, die Bahn des Kernschattens, der auf die Erde geworfen wurde, war nur etwa sechzehntausend Kilometer lang und einhundertsechzig Kilometer breit. Diese von West nach Ost verlaufende völlige Finsternis begann am Horn von Afrika, krümmte sich dann den Atlantik hinauf und endete westlich des Lake Michigan. Der Kernschatten bewegte sich mit einer Geschwindigkeit von mehr als tausendsechshundert Stundenkilometern über die Erdoberfläche.
    Jetzt schlug die Farbe des Himmels in ein fahles Violett um.
    Die Dunkelheit im Westen nahm an Intensität zu - wie ein lautloser Sturm, der auf die geschwächte Sonne zuwanderte, wie ein riesiger Organismus, der von innen heraus verfaulte.
    Eigenartige Schatten huschten über den Boden, hervorgerufen durch die Lichtbrechung in der Erdatmosphäre. Ein gespenstisches Phänomen - wie ein über den Boden eines Swimmingpools wandernder Lichtstrahl-, das den Zuschauern die Nackenhaare aufstellte.
    Dann ging es sehr schnell. Die hauchdünne Sonnensichel glühte auf, eine grelle Narbe am Himmel, die zu weißen Perlen zerfiel- die letzten Sonnenstrahlen, die durch die tiefsten Täler des Mondes wanderten. Diese Perlen verschwanden in rascher Folge wie eine Kerzenflamme, die von ihrem eigenen Wachs

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