Die Saat
dass ein gewaltiger Unterschied zwischen der Isolierung einiger weniger Passagiere im Rahmen einer freiwilligen, prophylaktischen Behandlung und ihrer zwangsweisen Quarantäne besteht. Außerdem sind da noch andere Aspekte zu berücksichtigen - Aspekte der Öffentlichkeitsarbeit etwa.«
»Bei allem gebührenden Respekt, Everett, ich ... «
Die schmale Hand des Direktors senkte sich sanft auf Ephs Schulter. »Vergeuden wir nicht unsere Zeit, Ephraim.« Barnes' Südstaatenakzent wurde noch breiter, wohl um das, was er zu sagen hatte, freundlicher klingen zu lassen. »Wenn wir die Sache einmal objektiv betrachten, haben wir diesen tragischen Zwischenfall jetzt doch unter Kontrolle. Mit Glück oder auch Gottes Hilfe. Es gab in den nunmehr achtzehn Stunden seit der Landung der Maschine keine weiteren Todesfälle, und rund um den Globus wurden keinerlei Erkrankungen in irgendeinem anderen Flugzeug oder auf irgendeinem Flughafen gemeldet. Das sind eindeutig gute Nachrichten, und die müssen wir deutlich als solche herausstellen. Wir müssen der Öffentlichkeit eine klare Botschaft vermitteln, das Vertrauen in den internationalen Luftverkehr aufrechterhalten. Ich bin überzeugt, dass es ausreicht, an das Ehrgefühl der vier glücklichen Überlebenden zu appellieren, um sie zur Kooperation zu bewegen.« Der Direktor zog die Hand zurück und lächelte Eph an wie ein alter Soldat, der gute Miene zur pazifistischen Einstellung seines Sohnes macht. »Davon abgesehen sieht das für mich nach einem verfluchten Gasaustritt aus. Was sonst könnte derart viele Leute so schlagartig handlungsunfähig machen? In einem abgeschlossenen Raum? Und wieso haben sich die Überlebenden so schnell erholt, nachdem man sie aus der Maschine geborgen hat?«
Nora räusperte sich. »Das Dumme ist nur, dass die Klimaanlage mit der Stromversorgung ausgefallen ist. Und zwar unmittelbar nach der Landung.«
Barnes sah sie an und verschränkte nachdenklich die Hände. »Nun, da gibt es noch viel Klärungsbedarf, gar keine Frage. Aber sehen Sie es doch mal so - das war eine ausgezeichnete Übung für Ihr Team. Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht. Und wenn sich jetzt alles langsam wieder beruhigt, können Sie dem Problem gewissenhaft auf den Grund gehen. Sobald diese verfluchte Pressekonferenz vorbei ist.«
»Wie bitte?«, sagte Eph.
»Der Bürgermeister und der Gouverneur haben mit den Vertretern der Fluggesellschaft, der Port Authority und so weiter eine Pressekonferenz angesetzt. Sie und ich werden dabei die Gesundheitsbehörde vertreten.«
»0 nein! Dafür habe ich keine Zeit. Das kann Jim übernehmen ... «
»Jim
könnte
das übernehmen, aber heute werden Sie es machen, Ephraim. Wie ich schon sagte, es wird Zeit, dass Sie in dieser Angelegenheit Führungsstärke zeigen. Sie sind der Chef des Canary-Projekts, und ich will mit jemandem vor die Presse treten, der unmittelbar mit den Opfern zu tun hatte. Wir müssen unserer aufopferungsvollen Arbeit ein Gesicht geben.«
Deshalb also Barnes' Weigerung, die Quarantäne zu verhängen. Es ging ihm um mehr als nur dieses Unglück. »Aber im Augenblick weiß ich doch noch gar nichts«, protestierte Eph. »Warum jetzt schon?«
Barnes lächelte, zeigte dabei wieder jede Menge Keramik. »Der wichtigste Grundsatz eines Arztes ist: Richte keinen Schaden an. Der wichtigste Grundsatz eines Politikers ist:
Tritt vor die Kameras. Außerdem spielt der Zeitfaktor eine gewisse Rolle. Ob Sie es glauben oder nicht, wir müssen das Ganze noch vor dieser verfluchten Sonnenfinsternis über die Bühne bringen, damit die Ausstrahlung nicht gestört wird. Die Sonnenflecken beeinflussen offenbar die Funkwellen.«
»Sonnenfinsternis?« Eph runzelte die Stirn. Richtig, für diesen Nachmittag gegen halb vier war eine totale Sonnenfinsternis angekündigt - das erste Ereignis dieser Art im Umkreis von New York City seit über vierhundert Jahren. »Gott, daran hab ich gar nicht mehr gedacht ... «
»Also, Eph, wir werden den Menschen in diesem Land eine einfache Botschaft übermitteln: Eine furchtbare Katastrophe hat sich ereignet, aber wir haben die Situation unter Kontrolle. Die CDC hat eine umfassende Untersuchung eingeleitet. Anscheinend handelt es sich um ein singuläres Ereignis. Von daher besteht nicht der geringste Anlass zur Beunruhigung. «
Eph verbarg seinen Blick vor dem Direktor. Er wurde also gezwungen, sich vor die Kameras zu stellen und zu behaupten, alles sei in bester Ordnung ... Zornig verließ er den
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