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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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ein bisschen besser ... «
    Ihre Ängstlichkeit, die sonst eigentlich Beschützerinstinkte in ihm weckte, versetzte ihn nun wirklich in Wut. »Ann-Marie, hol mir jetzt bitte ein gottverdammtes Glas Wasser. Und bring die Kinder raus oder mach sonst was mit ihnen, aber
halt sie mir in Gottes Namen vom Leib!«
    Tränenüberströmt huschte sie davon.
    Als Ansel hörte, wie seine Familie hinaus in den Garten ging, schleppte er sich nach unten. Ann-Marie hatte das Glas auf eine gefaltete Serviette neben die Spüle gestellt; die aufgelösten Schmerztabletten trübten das Wasser. Mit beiden Händen hob er das Glas an und schüttete sich die Flüssigkeit regelrecht in den Rachen, ließ seinem Hals keine andere Wahl, als zu schlucken. Etwas davon bekam er sogar hinunter, bevor er würgen musste und das Wasser gegen das Fenster über der Spüle hustete. Es rann die Scheibe hinab und verzerrte das Bild von Ann-Marie, die hinter den auf der Gartenschaukel sitzenden Kindern stand, ihre verschränkten Arme immer wieder kurz öffnete, um die beiden anzustoßen, und sonst apathisch in den sich verdunkelnden Himmel starrte.
    Das Glas glitt ihm aus der Hand, fiel in die Spüle. Er verließ die Küche und legte sich im Wohnzimmer benommen aufs Sofa. Sein Hals war nun stark angeschwollen, er fühlte sich kränker denn je.
    Er musste zurück in die Klinik! Ann-Marie würde einfach mal allein zurechtkommen müssen. Dazu war sie durchaus in der Lage, wenn es keine andere Möglichkeit gab. Ja, vielleicht war das Ganze am Ende sogar gut für sie.
    Er versuchte, sich zu konzentrieren, überlegte, was er noch tun musste, bevor er aufbrach. In diesem Moment tauchte Gertie leise japsend in der Tür auf. Gefolgt von Pap, der sich vor den Kamin hockte und leise und gleichmäßig zu knurren begann. Das Pochen in Ansels Ohren schwoll an. Das Geräusch kam also von den Hunden ...
    Oder etwa nicht? Er rutschte vom Sofa herunter und kroch auf allen vieren zu Pap hinüber. Gertie winselte und wich zurück, doch Pap verharrte knurrend in Lauerstellung. Ansel schnappte sich sein Halsband genau in dem Moment, als der Hund aufspringen und davonlaufen wollte.
    Poch
...
Poch
...
Poch
...
    Es war in ihm. Irgendetwas war
in
ihm.
    Pap winselte und versuchte, sich zu befreien. Ansel, der ein großer, kräftiger Mann war, umfasste den Hals des Bernhardiners und hielt ihn im Schwitzkasten. Dann legte er sein Ohr an den Hals. Das Fell kitzelte.
    Ja, da war es. Ein Pochen, ein Pulsieren. Der Herzschlag des Tieres?
    Der jaulende Hund versuchte noch energischer, sich zu befreien, doch Ansel drückte das Ohr fest gegen seinen Körper. Er musste es einfach wissen!
    »Ansel?«
    Er drehte sich schnell um. Zu schnell. Ein heftiger Schmerz durchzuckte ihn. Ann-Marie stand in der Tür, Benjy und Haily hinter sich. Haily hatte das Bein ihrer Mutter umklammert. Sie alle starrten ihn an. Ansel lockerte den Griff, und Pap konnte sich endlich befreien. »Was ist denn?«, brüllte er.
    »Ich ... ich weiß nicht«, stotterte Ann-Marie. »Ich gehe mit den Kindern spazieren.«
    »Schön.« Unter den ängstlichen Blicken seiner Kinder sackte er etwas in sich zusammen. »Daddy geht's gut«, krächzte er und wischte sich mit dem Handrücken Speichel vom Mund. »Daddy wird bald wieder gesund.«
    Dann sah er den Hunden hinterher, die in die Küche geflüchtet waren. Die Gedanken an die Kinder verblassten unter dem wiederauflebenden Pochen. Und es war lauter als zuvor.
    Sie ... waren ... es.
    Ein widerliches Schamgefühl stieg in ihm auf. Er presste sich eine Faust an die Schläfe.
    »Ich lass die Hunde raus«, sagte Ann-Marie.
    »Nein!«
Er hob die Hand. »Nein.« Versuchte, zu Atem zu kommen,
normal
zu erscheinen. »Ist schon in Ordnung. Lass sie hier.«
    Ann-Marie zögerte, wollte noch etwas sagen. Etwas tun, irgendetwas. Doch dann drehte sie sich einfach um und ging, die Kinder hinter sich herziehend.
    Mühsam rappelte sich Ansel auf. Er wankte ins Bad im Erdgeschoss und schaltete das Licht über dem Spiegel ein. Seine Augen! Elfenbeinfarbene, rot geäderte Kugeln. Er wischte sich den Schweiß von Stirn und Oberlippe und öffnete den Mund, um seinen Hals zu untersuchen. Wo er mit entzündeten Mandeln oder einem weißen Belag auf der Zunge gerechnet hatte, sah er nur Schwärze. Es schmerzte, die Zunge anzuheben, aber er tat es trotzdem. Die Schleimhaut darunter war scharlachrot, schien wie Holzkohle zu glühen. Er berührte die Stelle - und ein heftiger Schmerz breitete sich schlagartig

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