Die Saat
ursprüngliches Erscheinungsbild weitgehend beibehält, um so für sich die besten Lebensbedingungen zu schaffen. Mit anderen Worten: Das Virus kolonisiert und modifiziert den Wirt zum Zwecke des eigenen Überlebens. In diesem Fall ist der Wirt ein abgetrenntes Organ, das in einem Glas schwimmt, und das Virus hat auch hier einen Weg gefunden, einen optimalen Mechanismus zur Nahrungsaufnahme zu entwickeln.«
»Nahrungsaufnahme? «
»Der Wurm lebt von Blut. Menschlichem Blut.«
Eph betrachtete das Herz mit zusammengekniffenen Augen. »Wessen Blut?«
Setrakian zog die linke Hand aus der Westentasche und zeigte ihnen seine faltigen Fingerspitzen. Die Kuppe des Mittelfingers jedoch war vernarbt und glatt. »Ein paar Tropfen jeden Tag genügen. Er wird hungrig sein, ich war ja eine ganze Weile nicht hier.« Er ging zu dem Glas, nahm den Deckel ab und stach sich mit der Spitze eines kleinen Federmessers, das an seinem Schlüsselring hing, in die Fingerkuppe. Er zuckte nicht zusammen; offenbar war ihm dies längst zur Routine geworden.
Als Setrakians Blut ins Plasma tropfte, nahm der Sauger die roten Tropfen so auf, als wäre er das Maul eines hungrigen Fischs.
Eph beobachtete, wie sich der Rüssel bei der Nahrungsaufnahme rot verfärbte. Der Wurm im Inneren des Herzens schien sich jetzt geschmeidiger und deutlich kraftvoller zu bewegen. » Und Sie behaupten, Sie halten das Ding hier seit ... wie vielen Jahren? «
Aus einer kleinen Flasche sprühte der alte Mann etwas Flüssigverband auf den Finger und schloss das Glas wieder. »Seit Frühjahr 1971. Ich mache nicht häufig Urlaub.« Setrakian lächelte über seinen Witz, während er sich die Fingerspitze rieb. »Sie war
verwandelt.
Die Alten, die im Verborgenen bleiben wollen, töten unmittelbar im Anschluss an die Nahrungsaufnahme, um eine Verbreitung des Virus zu verhindern. Eines ihrer Opfer entkam jedoch und kehrte nach Hause zurück, um sich an seiner Familie, den Freunden und Nachbarn gütlich zu tun. Das Herz dieser jungen Witwe war noch keine vier Stunden verwandelt, als ich sie aufspürte. «
»Vier Stunden? Woher wussten Sie das?« »Ich sah das Mal. Das Mal der
strigoi.« »5trigoi?«
»Ein sehr alter Ausdruck für Vampir.« »Und das Mal?«
»Die Stelle der Penetration. Eine schmale Verletzung über der Kehle, die Sie, so vermute ich, inzwischen ebenfalls schon gesehen haben.«
Eph und Nora nickten. Beide mussten an Jim denken. »Ich sollte noch hinzufügen, dass es nichts Alltägliches für mich ist, einem Menschen das Herz aus dem Leib zu schneiden. Das war eine ziemlich schmutzige Geschichte, auf die ich mehr oder weniger durch Zufall gestoßen bin. Ich hatte keine andere Wahl.«
»Und seitdem halten Sie dieses Ding hier am Leben, füttern es wie ein ... Haustier«, sagte Nora.
»Ja.« Beinahe liebevoll sah Setrakian auf das Gefäß. »Es ist wie eine tägliche Ermahnung, mit welchem Gegner ich es zu tun habe. Womit
wir
es jetzt zu tun haben.«
»Aber in all diesen Jahren - warum haben Sie das nie jemandem gezeigt?«, fragte Eph. »Einer medizinischen Fakultät? Den Medien?«
» Wäre es so einfach, Doktor, dann wäre dieses Geheimnis schon seit vielen Jahren gelüftet. Aber es handelt sich um ein Geheimnis, das weite Kreise zieht und das Leben vieler betrifft. Sie würden niemals zulassen, dass die Wahrheit an die Öffentlichkeit kommt. Deshalb habe ich mich hierher zurückgezogen. Und gewartet.«
Jetzt lief es Eph eiskalt über den Rücken. Die
Wahrheit
lag direkt vor ihm: Das menschliche Herz in diesem Glasgefäß beherbergte einen Wurm, den es nach dem Blut des alten Mannes dürstete. »Verzeihen Sie mir, dass ich mich mit Geheimnissen, die die Zukunft der Menschheit gefährden, nicht so besonders gut auskenne. Aber sonst weiß niemand davon?«
»0 doch. Sogar ein sehr mächtiger Jemand. Der Meister kann nicht ohne fremde Hilfe auf Reisen gegangen sein. Ein menschlicher Verbündeter muss für seine Sicherheit und den Transport gesorgt haben. Vampire können fließende Gewässer ohne die Hilfe eines Menschen nicht überqueren. Jemand muss sie ... einladen. Nun ist das Siegel - der Waffenstillstand - gebrochen, durch ein Bündnis zwischen
strigoi
und Mensch. Und genau deshalb ist dieser feindliche Akt auch so bedrohlich. «
Nora sah Setrakian an. »Wie viel Zeit bleibt uns noch?« »Ja, nun kommen wir zum Kern der Angelegenheit. Diese Seuche wird in weniger als einer Woche ganz Manhattan befallen haben. Und sie wird weniger als drei Monate
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