Die Sache mit Callie und Kayden
sieht mich an, als wollte sie mir die Augen auskratzen. »Schläfst du mit ihr? Denn wenn ja, ist das ekelhaft und erbärmlich!«
Eine Sekunde lang überlege ich, ihr zu sagen, dass ich mit Callie schlafe, und dann zuzusehen, wie sie weggeht und aus meinem Leben verschwindet. Doch was dann? Würde ich mit jemand anderem zusammen sein wollen? Mit Callie? Meinem Verstand gefällt dieser Gedanke sehr – und meinem Schwanz gleichfalls –, aber sie ist zu gut für mich, und selbst in den wenigen Momenten, die ich mit ihr verbracht habe, konnte ich alles viel zu sehr fühlen.
»Nein, ich schlafe nicht mit ihr. Sie ist nur jemand, mit dem ich hin und wieder rede«, sage ich, und das stimmt teilweise. Vor allem muss es so bleiben.
Callie
Es ist niemand in der Bibliothek außer der Bibliothekarin, die einen Wagen herumschiebt und Bücher in die Regale zurücksortiert. Ich frage mich, ob sie alleine lebt, Katzen hat – ob sie glücklich ist.
»Also, wie viel Zeit muss vergehen, ehe wir über das reden können, was passiert ist?«, fragt Seth und fächelt sich mit seinem Lehrbuch Luft zu.
Ich fühle mich schrecklich, wie ein Kind, auch wenn ich keines mehr bin. Ich bin eine erwachsene Frau, auf dem College, und doch reagiere ich wie früher in der Schule. Ich hasse es, dass mich die Begegnung mit jemandem aus meiner Vergangenheit zurück in die Dunkelheit und Traurigkeit schleudern kann, die wohl immer ein Teil von mir bleiben werden.
Ich zucke mit den Schultern und hebe eine Anmerkung auf der Buchseite mit neongelbem Textmarker hervor. »Was gibt es da zu reden?«
Er reißt mir den Stift aus der Hand, der eine gelbe Diagonale auf der Seite hinterlässt. »Zum Beispiel dass du dich einfach von dieser dummen Schlampe in Grund und Boden trampeln lässt und dass Kayden praktisch nichts sagt.«
»Warum sollte er? Hat er noch nie. Ich bin nicht sein Problem.« Ich sehe hinauf zum Fenster, durch das ein Sonnenstrahl hereinfällt. »Was draußen passiert ist, war die Geschichte meines Lebens. Sie ist bald wieder weg, und ich muss nicht weiter an sie denken.«
Seth lässt den Stift auf den Tisch fallen und blickt hinaus zu den Bäumen. »Was mit diesem Mädchen passiert ist, ist nicht in Ordnung. Du brauchst mehr Selbstvertrauen, damit du dich wehren kannst. Wenn sie das nächste Mal so eine Nummer abzieht, reiß ihr die fiesen Extensions aus dem Haar.«
»Sie trägt Extensions?«, frage ich, und Seth nickt. Ich muss grinsen, dann schüttle ich den Kopf. »Wäre es einer von denen gewesen, die dich in der Highschool terrorisiert haben, hättest du so viel Selbstbewusstsein aufgebracht?«
»Wir reden nicht über mich«, sagt er streng, klappt sein Buch zu und verschränkt die Arme darauf. »Wir reden über dich.«
»Und ich finde, dass wir genug über mich geredet haben. Ich kriege schon Kopfweh.« Ich nehme meinen Marker vom Tisch und verschließe ihn mit der Kappe. »Was hältst du davon, wenn wir es für heute gut sein lassen? Es gibt noch einige andere Projekte, an denen ich arbeiten muss.«
Seufzend rafft er seine Bücher zu einem Stapel zusammen und rückt vom Tisch weg. »Na gut, aber wenn ich in meinem Zimmer bin, ergänze ich Lass dir nichts bieten, von keinem auf der Liste.«
Kayden
Eine Woche ist es her, dass ich mit Callie gesprochen habe. Das letzte Mal war bei Daisys Spontanbesuch, der mit bedeutungslosem Vögeln und einem halbherzigen Abschied endete. Was Callie und mich betrifft, kann ich nicht sagen, wer wen meidet, aber je mehr Zeit vergeht, umso häufiger denke ich an sie.
Meine Mom kam gestern im Wohnheim vorbei. Sie kommt ab und zu und behauptet jedes Mal, sie müsste sowieso gerade in die Stadt. Was eine verdammte Lüge ist, denn sie legt im Grunde nur eine kleine Trinkpause ein, um in ein Wellnesscenter zu gehen und auszunüchtern. Sie schluckt Schmerzmittel und literweise Wein. Das tut sie schon, solange ich denken kann. Vielleicht ist das der Grund, weshalb sie nie versucht hat, die Prügeleien zu verhindern. Einmal habe ich probiert, ihr von Dad zu erzählen, aber sie schien nicht besonders wild darauf, etwas dagegen zu tun.
»Tja, dann musst du dich eben mehr anstrengen«, hatte sie gesagt und von ihrem Wein getrunken. Etwas davon tropfte auf ihre Bluse, doch sie bemerkte es nicht. »Manchmal müssen wir mit Sachen fertig werden, so gut wir können. Das nennt man Leben, Kayden. Dein Dad ist ein guter Mann. Er sorgt dafür, dass wir ein Dach über dem Kopf haben, und gibt uns mehr, als viele
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