Die Sache mit dem Ich
Sushipaket fallen, das ich mir gerade geholt hatte.«
»Sie hatten ein Restaurant besucht?«
»Ja, Sushi Express, in der Station. Sie haben dort ganz günstige Lunchmenüs.«
Hirsch griff sein Telefon, stürmte aus dem Raum und kam zwei Minuten später zurück, leicht betrübt: Frau Setagaya hatte nicht bei Sushi Express gegessen. Allerdings kam sie regelmäßig an dem Laden vorbei.
Am nächsten Tag saßen wir dort. Es gab keine Garantie dafür, dass er kommen würde, es war bloß eine Idee. Viel in der Hand hatten wir nicht: In der Achtmillionenstadt Tokyo suchten wir in der belebtesten Bahnstation einen Mann, der vielleicht das Sushi hier mochte, stets seinen Ingwer aufaß, eventuell eine helle Jacke trug und eine manische Vorliebe für die Brillen anderer Leute hatte.
Es war ein netter kleiner Laden in einer Unterführung, mit Neonbeleuchtung, zwölf Plätzen, einer hübschen Bedienung vormittags und einer nicht so hübschen nachmittags.
Das Sushi war wirklich gut.
Der Sake auch.
Vier Tage lang gingen wir jeden Tag dorthin. Wir scannten die Umgebung ab und versuchten zu denken, fühlen und sehen wie der Brillenmann.
»Was meinen Sie, Hirsch«, fragte ich, während ich mir ein Stück Tekka Maki in den Mund schob, »was treibt unseren Brillenteufel an?«
Hirsch überlegte, nahm einen Schluck Sake und sprach: »Ich glaube, dass er vor langer Zeit etwas verloren hat. Die Brille erscheint mir dabei als gar nicht so entscheidend. Er sucht nicht nach der größten, schönsten, teuersten. Er sucht nach der, die ihm etwas zurückgibt. Ein Gefühl, einen Geschmack, eine Erinnerung. Er sucht seinen ihm eigenen Blick für die Dinge. Wie jemand, der auf der Suche nach seinem Namen ist. Darum sind es vor allem die Einsamen, die ihn anziehen.«
»Schön gesagt!«
»Vielen Dank!«
Es klingt komisch, aber: So langsam fingen wir an, den Brillenmann zu mögen. Vielleicht war er trotz des Unheils, das er angerichtet hatte, kein ganz schlechter Kerl. Er zog allein durch die Straßen, auf der Suche nach Wahrheit. Er war ein Held unserer Zeit, ein letzter Romantiker. Manchmal steckt der Schlüssel zum Weltgeheimnis in Leuten wie ihm. Ein bisschen suchen wir alle stets nach unserem eigenen Blick, und nicht jeder findet ihn.
Auf einmal wurde mir kalt, so kalt wie nie zuvor. Es fühlte sich an, als würde eine fremde Hand in mich hineinkriechen und nach meinem Innersten greifen.
Ich sah mich um. Links und rechts waren nur Menschen, die mit sich selbst beschäftigt wirkten. Auf der anderen Seite des Sushi-Tresens stand ein leerer Stuhl, davor ein Bierglas, ausgetrunken,und ein leeres Sushi-Brett, ingwerfrei.
»Saß da nicht eben noch jemand?«
»Mir war auch so«, sagte Hirsch und rieb sich den Hals, als sei er gerade gewürgt worden. Er sah wirklich ein bisschen blass aus.
Wir riefen nach der Bedienung, da kam aus Richtung des Bahnsteigs ein Schrei, so erschütternd, dass er uns allen die Kehle zudrückte. Wer immer du auch sein magst, armer Mensch, dachte ich nur – pass auf deine Brille auf!
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Das Liz-Hurley-Gefühl
Es war vor etwa zwei Jahren, ich lag gerade am Pool des Hotel Chateau Marmont in Hollywood, als ich darüber nachdachte, was eigentlich aus dem Liz-Hurley-Gefühl geworden war.
Ich weiß nicht, ob Sie mit diesem Begriff vertraut sind, aber irgendwann Mitte der Neunziger haben sich meine Freunde Samuel, Chon, Ken und ich diesen Begriff ausgedacht. Er fiel zum ersten Mal am Abend des Tages, an dem so ziemlich jede Zeitung dieser Welt das Foto druckte, das Elizabeth Hurley weltberühmt machte, das Foto von der Premierenfeier des Films »Vier Hochzeiten und ein Todesfall«, zu der sie ihren damaligen Freund Hugh Grant begleitet hatte – in einem Versace-Kleid, das eigentlich kein Kleid war, sondern ein gigantisches Körperdekolleté, das von vierundzwanzig Sicherheitsnadeln zusammengehalten wurde. Eigentlich wurden Hurleys Brüste, Beine und ihr wunderbarer Rücken von den Sicherheitsnadeln zusammengehalten.
Es war vielleicht keine besonders originelle Reaktion, aber meine Freunde und ich waren begeistert von dem Bild, dem Kleid und der Frau, und einer von uns, ich glaube, es war der Fotograf ChonChoi, erfand den Begriff des Liz-Hurley-Gefühls. Was er beschreibt, ist ganz einfach: den Gefühlszustand, in dem sich Liz Hurley befunden haben muss, als sie mit diesem Kleid auf die Party ging, den Moment, in dem sie dachte: Yes, Ladies and Gentlemen – ich bin Liz Hurley, verdammt noch mal, und nach
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