Die Sache mit dem Ich
diesem Abend wird die Welt für euch und mich eine andere sein, für immer.
Das Liz-Hurley-Gefühl ist also ein Gefühl des Glücks und der Ekstase – und immer, wenn sich einer von uns glücklich oder ekstatisch fühlte, sagte er: »Ich glaube, ich habe gerade ein Liz-Hurley-Gefühl.«
Klingt ein bisschen dämlich, aber so ein Haufen Jungs waren wir damals.
Der Grund, warum ich mich jetzt, acht oder neun Jahre später am Pool des Chateau Marmont, fragte, was aus diesem Gefühl geworden war, waren die beiden Bikinimädchen, die sich auf den Liegestühlen neben mir sonnten.
»Schon gehört?«, sagte die eine, eine Brünette mit etwas plumpen Beinen und irritierend schmalem Oberkörper, »angeblich soll Elizabeth Hurley auch im Hotel sein.«
Natürlich erschrak ich in diesem Moment sehr.
»Die Elizabeth Hurley?«, fragte die andere zurück, ohne wirklich von ihrem Magazin aufzusehen, »ist das nicht diese schrecklich ordinäre englische Schauspielerin, die irgendwann mal Gesichtsmodel für Estée Lauder war?«
»Genau die«, sagte die Brünette. »Richtig berühmt wurde sie aber erst, als sich ihr Freund von einer Straßennutte auf dem Sunset Boulevard einen hat blasen lassen.«
»Ach ja«, sagte die andere und lachte, »wie hieß der noch mal? Hugh Gant? Sind die noch zusammen?«
»Er hieß Hugh Grant, Süße«, sagte die Brünette, »und: Nein, sind sie nicht. Sie ist angeblich allein hier.«
»Will wohl keiner mehr haben, die Verliererin«, stöhnte die mit dem Magazin und sank in ihre Liege zurück.
Es war nicht der Hass, mit dem die beiden Frauen über Hurley redeten, der mich irritierte: Mit dem Neid der anderen Weiber auf ihren Stil, ihren Ruhm, ihren Körper muss jede Frau umgehen können, die aus der Menge herausstechen will. Was mich allerdings überraschte, ja schockierte, war, wie radikal die beiden Mädchen Liz Hurley, den Männertraum und die Überfrau der letzten Jahre,schon abgeschrieben hatten, obwohl sie gerade Mitte dreißig war. Konnte es sein, dass sie recht hatten – wollte wirklich kein Mensch mehr etwas von Liz Hurley wissen?
Zwei sich paarende Libellen überflogen meinen Kopf, als ich mich an die schöne Zeit erinnerte, in der das Liz-Hurley-Gefühl überall war, ganz einfach, weil Liz Hurley überall war: Auf jedem Magazin-Cover und sogar im Fernsehen als Estée-Lauder-Model war die wunderbare Zobelhaut ihres Gesichts zu sehen und verbreitete ehrliche gute Laune, so sehr, dass man fast den Bildschirm streicheln wollte, wenn sie darauf erschien. Zwar sah ich sie nie als große Schauspielerin, doch sie bekam ein paar gute Rollen in der lustigen Agentenparodie »Austin Powers« mit Mike Myers und dem Drogenfilm »Permanent Midnight« mit Ben Stiller. Selbst die Wahnsinnstat von Hugh Grant, sie mit der Straßenhure Divine Brown zu betrügen und sich noch dazu von zwei Zivilpolizisten erwischen zu lassen, konnte Hurleys Glanz nichts anhaben, im Gegenteil: Sie bekam mehr Mitleids- und Sympathiebekundungen als Jackie Kennedy und Hillary Clinton zusammen, und über Grant, den Depp, schüttelte die ganze Welt den Kopf, weil ihm eine Bombenfrau wie Hurley sexuell nicht genügte.
In den letzten Jahren aber, das sah selbst ich ein, war es nicht gerade gut gelaufen für Hurley: Grant verließ sie, das Model Carolyn Murphy schnappte ihr den Job bei Estée Lauder weg, die Filme, die sie mit ihrer Produktionsfirma »Simian Films« produzierte, floppten allesamt, und die Rollen, die ihr angeboten wurden, waren schlechte Witze für jemanden, der schon mal ganz gute gemacht hatte. Hurley verlor sich in Affären mit Millionärssöhnen und unbedeutenden Schauspielern, die meisten davon hielten keine drei Tage und wirkten wahllos und verzweifelt – nicht im Geringsten so, als habe sie dabei das Liz-Hurley-Gefühl verspürt.
Und jetzt muss sie auch noch den Spott dieser zwei hässlichen Liegestuhlvögel hier über sich ergehen lassen, dachte ich und hatte das Gefühl, als sei eine Ära zu Ende gegangen – nicht nur für sie, sondern ebenso für mich. Eine Ära der guten Laune und der Fotos, zu denen man Begriffe erfinden konnte.
Es klingt ausgedacht, ist aber wahr und wird für keinen Menschen, der schon mal im Chateau Marmont war, eine Überraschung sein: In genau diesem Moment kam natürlich Elizabeth Hurley in einem weißen Bademantel an den Pool spaziert, kein Wunder, sie wohnte ja hier, und hinter ihr her liefen, genau wie früher, ein paar Fotografen und Beleuchter und Dienerinnen und
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