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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Klostergelände fielen, doch Kellermeister waren generell leichter ansprechbar. Das letzte Wort lag ohnehin beim Prior. Der Novize verwies ihn auf den Lagerraum eines in der Nähe stehenden Hauses. Gefolgt von Ellen und den Kindern betrat Tom das Gebäude durch die offenstehende Tür. Drinnen blieben sie zunächst einmal stehen und starrten ins dämmrige Licht.
    Tom fiel sofort auf, dass das Haus, in dem sie sich jetzt befanden, neuer war als die Kirche. Auch war es solider gebaut. Die Luft war trocken, und es roch nicht nach Fäulnis, sondern nach den eingelagerten Speisen und Gewürzen, die seinen Magen sogleich schmerzhaft aufbegehren ließen: Er hatte schon wieder zwei Tage lang nichts gegessen. Nachdem sich seine Augen an die Düsternis gewöhnt hatten, erkannte Tom, dass der Boden des Lagerraums sorgfältig gepflastert war und dass die kurzen, stämmigen Säulen ein Tonnengewölbe trugen. Kurz darauf erspähte er einen hochgewachsenen, kahlköpfigen Mann, der aus einem großen Fass Salz in einen Topf löffelte.
    »Seid Ihr der Cellerar?«, fragte Tom, doch der Mann gebot ihm mit erhobener Hand Schweigen. Er zählte die Salzportionen und wollte nicht unterbrochen werden. Wortlos warteten sie ab, bis er fertig war.
    »… achtundfünfzig, neunundfünfzig, sechzig!«, sagte er schließlich und legte den Löffel beiseite.
    »Mein Name ist Tom. Ich bin Baumeister. Ich würde gerne den Nordwestturm Eurer Kathedrale wieder aufbauen.«
    »Ich heiße Cuthbert Whitehead und bin der Cellerar. Wenn’s nach mir ginge, könntet Ihr gleich anfangen. Wir werden jedoch zuvor Prior Philip fragen müssen. Euch ist doch bekannt, dass wir einen neuen Prior haben, nicht wahr?«
    »Ja.« Dieser Cuthbert gehört zu den angenehmen Vertretern seiner Zunft, dachte Tom. Ein weltlicher, umgänglicher Mensch, einem kleinen Schwatz gewiss nicht abgeneigt.
    »Dem neuen Mann scheint sehr daran gelegen zu sein, das äußere Erscheinungsbild des Klosters zu verbessern.«
    Cuthbert nickte. »Das schon, nur möchte er dafür kein Geld ausgeben. Habt Ihr bemerkt, dass alle Arbeiten hier auf dem Gelände von Mönchen ausgeführt werden? Er möchte keine Handwerker anwerben. Die Priorei hat ohnehin zu viele Diener, meint er.«
    Das war eine schlechte Nachricht. »Was halten denn die Mönche davon?«, fragte Tom, wohl wissend, dass er damit einen wunden Punkt berührte.
    Cuthbert lachte, und sein runzeliges Gesicht zeigte noch ein paar Fältchen mehr. »Ihr seid mir ein taktvoller Mann, Baumeister Tom! Ich weiß, was Ihr denkt: So viele arbeitende Mönche habt Ihr noch nie gesehen, nicht wahr? Nun denn, der neue Prior zwingt niemanden zur Arbeit. Allerdings weiß er die Regel des heiligen Benedikt auf seine Weise auszulegen: Wer körperliche Arbeit leistet, so sagt er, darf rotes Fleisch essen und Wein trinken. Wer hingegen nur betet und studiert, muss sich mit gesalzenem Fisch und Dünnbier zufriedengeben. Wenn Ihr ihn fragt, wird er Euch eine ausgefeilte theologische Begründung geben. Entscheidend ist jedoch, dass sich viele Freiwillige für die harte Fron gemeldet haben, vor allem jüngere Mönche.« Cuthbert schien nichts dagegen zu haben; er wirkte lediglich etwas verdutzt.
    »Aber Mönche können keine Steinmauern errichten«, erwiderte Tom, »da können sie essen, was sie wollen.« Er hatte noch nicht ausgesprochen, als er in der Ferne ein Kind schreien hörte. Das Geräusch rührte an sein Herz. Ein Kind? Hier im Kloster? Er brauchte eine Weile, bis er merkte, wie ungewöhnlich das war.
    »Fragen wir den Prior«, sagte Cuthbert, aber Tom hörte ihm kaum zu. Die Stimme schien einem sehr kleinen Kind zu gehören, einem Säugling vielleicht, und sie kam näher. Tom sah Ellen an; auch sie hatte es gehört und war sichtlich überrascht. Auf einmal verdüsterte ein Schatten den Eingang. Tom spürte einen Kloß im Hals. Ein Mönch mit einem Säugling auf dem Arm betrat das Lager. Tom erkannte das kleine Gesicht. Es war sein Sohn.
    Tom schluckte. Das Gesichtchen war krebsrot, die Fäustchen waren geballt, der Mund stand offen und zeigte den zahnlosen Gaumen. Das Kind schrie, aber es war kein kränkliches oder schmerzvolles Schreien, sondern die kräftige, lustvolle Forderung nach Nahrung. Der kleine Kerl war rundum gesund. Tom wurden die Knie schwach, so froh und erleichtert war er.
    Der Mönch, der den Säugling trug, war ungefähr zwanzig Jahre alt, hatte einen wirren Haarschopf und strahlte dümmlich über das ganze Gesicht. Die Anwesenheit einer

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