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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Kleriker dämpfen und ihren hochfliegenden Plänen realistische Grenzen setzen. Die Handwerker warb allerdings wahrscheinlich John von Shaftesbury an.
    Der Fuhrmann wies mit dem Kinn auf Toms Werkzeugranzen. »Steinmetz?«, fragte er.
    »Ja. Ich suche Arbeit.«
    »Na, vielleicht habt Ihr Glück«, antwortete der Fuhrmann nüchtern. »Und wenn’s an der Kathedrale nicht klappt, dann vielleicht an der Burg.«
    »Wer ist der Burgherr?«
    »Besagter Roger, er ist sowohl Bischof als auch Kastellan.«
    Natürlich, dachte Tom. Von dem mächtigen Roger von Salisbury, der von jeher zum engsten Freundeskreis des Königs zählte, hatte er auch schon gehört.
    Sie passierten das Tor und betraten die Stadt, die auf den ersten Blick ganz überfüllt wirkte, so eng drängten sich die Gebäude, die Menschen und die Tiere in ihren Mauern. Sie sah aus, als könne sie jederzeit aus den Nähten platzen und alles, was nicht niet- und nagelfest war, in den Burggraben stürzen. Dicht an dicht standen die Holzhäuser, als stritten sie sich um einen guten Standplatz wie Zuschauer bei einer Hinrichtung. Jedes verfügbare Fleckchen Erde war genutzt. Wo zwei Häuser ursprünglich durch ein schmales Gässchen getrennt waren, hatte irgendwer einen halbhohen Unterschlupf gebaut, der – da die Tür fast die gesamte Vorderfront beanspruchte – nicht einmal Fenster besaß. Wo beim besten Willen keine menschliche Behausung mehr hineinpasste, hatte man Verkaufsstände für Bier, Brot oder Äpfel aufgeschlagen, und war der Platz auch dafür zu eng, so fand sich ein Stall, ein Schweinekoben, ein Misthaufen oder ein Wasserfass.
    Und es war unbeschreiblich laut in der Stadt. Der Regen trug nur wenig dazu bei, den Lärm zu dämpfen, der aus den Werkstätten drang und sich mit den Rufen der Straßenhändler mischte, die lauthals ihre Ware anpriesen; die Menschen grüßten sich, verhandelten und stritten miteinander; dazwischen ertönte Gewieher, Gebell und wütendes Gefauche.
    Marthas Stimme erhob sich über den Lärm: »Was stinkt denn hier so fürchterlich?«
    Tom lächelte. Sie war seit Jahren in keiner Stadt mehr gewesen. »Das ist der Geruch der Menschen«, erklärte er.
    Die Straße war nur wenig breiter als der Ochsenkarren, was den Fuhrmann jedoch nicht davon abhielt, seine Tiere stetig voranzutreiben, denn standen sie erst einmal still, so war zu befürchten, dass sie sich nicht mehr zum Weitergehen bewegen ließen. Unablässig hieb er mit der Peitsche auf sie ein, ohne auf Hindernisse zu achten, und die beiden Ochsen trotteten stumpfsinnig weiter durch die Menge und drängten alles beiseite, was ihnen in den Weg kam – einen Ritter auf einem Schlachtross, einen Förster mit Pfeil und Bogen, einen feisten Mönch auf einem Pony, Bewaffnete und Bettler, Hausfrauen und Huren.
    Eine kleine Schafherde trippelte vor ihnen her. Der alte Schäfer hatte alle Hände voll zu tun, die Tiere beisammenzuhalten. Bestimmt ist heute Markttag, dachte Tom.
    Als der Ochsenkarren vorbeirumpelte, sprang eines der Schafe durch die offenstehende Tür in eine Bierstube. Im Nu stürmte die ganze blökende Herde hinterher und richtete ein heilloses Durcheinander an. Bierkrüge fielen zu Boden, Tische kippten, und Stühle stürzten um.
    Die Straße war ein einziger Sturzbach aus Schlamm und Unrat. Tom hatte einen Blick für die Regenmenge, die auf die Dächer herabfiel, und er wusste, wie breit eine Dachrinne sein musste, um mit einem starken Guss fertig zu werden. Er erkannte sofort, dass alles Wasser, das in diesem Teil der Stadt von den Dächern floss, durch eben die Straße ablief, auf der sie sich gerade befanden. Bei starkem Gewitterregen, dachte er bei sich, braucht man hier ein Boot, um auf die andere Seite zu gelangen.
    Erst in der Nähe der Burg, die auf dem höchsten Punkt des Hügels thronte, wurde die Straße breiter. Hier gab es auch Steinhäuser, von denen nur wenige reparaturbedürftig waren. Sie gehörten den Handwerkern und Händlern, die ihre Werkstätten und Läden zu ebener Erde eingerichtet hatten und in den Wohnstuben darüber lebten. Am Warenangebot erkannte Tom sogleich, dass Salisbury eine wohlhabende Stadt sein musste. Messer und Töpfe brauchte jeder – bestickte Schals, verzierte Gürtel und silberne Schnallen dagegen wurden nur von reichen Leuten gekauft.
    Vor der Burg bog der Fuhrmann mit seinem Gespann rechts ab. Tom und seine Familie folgten ihm. Die Straße führte hier in einem Viertelkreis um die äußeren Begrenzungsmauern. Dann

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