Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
konnten. Henry runzelte die Stirn und antwortete ebenso leise. Ohne dass einer von ihnen die Stimme hob, ging das Gespräch noch eine Weile hin und her. Dann gebot Stephan mit erhobener Hand seinem Bruder Schweigen und blickte Philip an.
Zu Scherzen war der König diesmal nicht aufgelegt. Er hüstelte und begann: »Mein treuer Untertan Percy Hamleigh wird mit dem heutigen Tag Graf von Shiring.«
Aus dem Augenwinkel sah Philip, dass Waleran drauf und dran war, nach vorne zu stürzen und dem König seinen Protest entgegenzuschreien, jedoch von Bischof Henry mit einer raschen, unmissverständlichen Geste zurückgehalten wurde.
Der König fuhr fort: »Aus dem Besitz seines Vorgängers erhält Graf Percy die Burg sowie alles urbare Land einschließlich der Güter, die an Ritter verpachtet sind, und die Viehweiden in der Ebene.«
Philip konnte seine Erregung kaum mehr verbergen. Der König hatte den Vorschlag offenbar akzeptiert! Er riskierte einen Seitenblick auf Waleran. Das Gesicht des Bischofs war von Wut und Verzweiflung gezeichnet.
Percy trat vor und kniete vor dem König nieder, die Hände zusammengelegt wie im Gebet. Der König legte seine Hände über Percys und sprach: »Ihr, Percy, Graf von Shiring, seid hiermit rechtmäßiger Besitzer der erwähnten Ländereien samt aller Einkünfte und möget Eure Freude daran haben.«
Und Percy antwortete: »Ich schwöre bei allem, was heilig ist, Euer getreuer Lehensmann zu sein und Euch gegen jedermann zu verteidigen.«
Der König gab Percys Hände frei, und der frischgebackene Graf erhob sich.
Stephan wandte sich an die übrigen Anwesenden. »Alle anderen Ländereien aus dem Besitz des ehemaligen Grafen übereigne ich …« Er machte eine Pause. Sein Blick wanderte von Philip zu Waleran und wieder zurück. »… übereigne ich der Priorei von Kingsbridge zum Zwecke des Baus einer neuen Kathedrale.«
Philip unterdrückte mit Mühe einen Freudenschrei. Er hatte gewonnen! Er strahlte den König an – das ließ sich nicht vermeiden – und drehte sich dann nach Waleran um. Der Bischof war erschüttert bis ins Mark. Er versuchte gar nicht mehr, den Gleichmütigen hervorzukehren: Sein Mund stand offen, die Augen hatte er aufgerissen. Aus dem Blick, mit dem er den König bedachte, sprach schiere Ungläubigkeit. Dann sah er Philip an. Waleran wusste, dass er einen entscheidenden Fehler gemacht hatte, von dem Philip jetzt profitierte. Aber er konnte sich nicht vorstellen, wie es geschehen war.
»Die Priorei Kingsbridge«, fuhr der König fort, »erhält darüber hinaus das Recht, dem gräflichen Steinbruch in unbegrenzter Menge Steine für den Kathedralenbau zu entnehmen. Desgleichen ist sie ermächtigt, in den gräflichen Wäldern Holz zu schlagen.«
Empörung wallte in Philip auf. Das widersprach der Vereinbarung! Der Steinbruch und die Waldungen sollten in den Besitz der Priorei übergehen – für Percy war lediglich das Jagdrecht vorgesehen! Also hatte Regan die Vertragsbedingungen doch noch zu ihren Gunsten verändert … Philip blieben nur wenige Augenblicke Zeit: Sollte er trotzdem zustimmen – oder sollte er die Übereinkunft in Bausch und Bogen ablehnen? Der König sagte: »Zum Schiedsrichter im Falle von Unstimmigkeiten bestimme ich den Vogt von Shiring, doch steht beiden Parteien in letzter Instanz das Recht zu, bei mir Berufung einzulegen …« Regans Benehmen ist unverschämt, dachte Philip – aber so wesentlich sind die Veränderungen nun auch wieder nicht. Die Vereinbarung nützt mir allemal … Da sagte der König: »Wie ich vernommen habe, sind sich beide Seiten bereits einig.« Jetzt blieb keine Zeit mehr. Percy sagte: »Jawohl, mein Herr und König.«
Waleran öffnete den Mund zu einer Entgegnung, schließlich hatte er dem Kompromiss nicht zugestimmt. Aber Philip kam ihm zuvor.
»Jawohl, mein Herr und König«, sagte auch er.
Sowohl Bischof Henry als auch Bischof Waleran fuhren herum und starrten Philip an. Ihre Bestürzung war unverkennbar: Jetzt ging ihnen auf, dass sich dieser jungenhafte Prior, der noch nicht einmal wusste, dass man bei Hofe sauberen Habit anlegte, hinter ihrem Rücken mit dem König geeinigt hatte. Henry entspannte sich schnell; seine Miene verriet die Belustigung eines Mannes, der einem flinken Kind beim Damespiel unterliegt. Walerans Ausdruck wurde dagegen böse. Philip glaubte, seine Gedanken lesen zu können. Der Bischof wusste jetzt, was sein Kardinalfehler gewesen war: Er hatte seinen Gegner unterschätzt und
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