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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Williams Arm zur Seite. Er hätte ihm keinen größeren Gefallen tun können. Wie der Blitz schoss er vom Stuhl hoch und schlug Richard die Faust ins Gesicht. Erwartungsgemäß erwies sich der Junge als Weichling: Er schrie auf und barg sein Gesicht in den Händen.
    »Rühr ihn nicht an!«, schrie Aliena.
    Überrascht starrte William sie an. Sie schien sich mehr um ihren Bruder als um sich selbst zu sorgen. Das musste man sich merken.
    Matthew kehrte zurück. Er trug einen großen Holzteller mit einem Laib Brot, einem Schinken und einem Krug Wein. Als er Richard sah, wurde er blass. Er stellte den Teller auf den Tisch, ging zu ihm hin und nahm ihm sanft die Hände vom Gesicht. Es war gerötet und unter dem linken Auge angeschwollen. »Ich sagte doch, Ihr solltet sie nicht aufregen«, murmelte er, schien aber erleichtert, dass die Verletzung nicht schlimmer war. William war enttäuscht: Er hatte gehofft, Matthew würde wütend aufbrausen. Der Kerl drohte zum Spielverderber zu werden.
    Der Anblick der Speisen ließ William das Wasser im Munde zusammenlaufen. Er zog seinen Stuhl näher an den Tisch heran, kramte sein Essmesser hervor und schnitt sich eine dicke Scheibe Schinken ab. Walter setzte sich ihm gegenüber. Mit vollen Backen Brot und Schinken kauend, forderte William Aliena auf: »Bring uns Becher, und schenk uns ein.« Matthew, der bereits auf dem Sprung war, rief er zurück: »Nicht du – sie!« Aliena zögerte. Matthew sah sie an und nickte angstvoll. Da stand sie auf, ging zum Tisch und nahm den Krug auf.
    Als sie sich über den Tisch lehnte, langte William mit raschem Griff unter den Saum ihrer Tunika und ließ seine Finger die schlanken Beine hinaufgleiten. Die Fingerspitzen ertasteten den weichen Flaum auf den Waden, spürten die Muskeln und Sehnen hinter dem Knie und die weiche Haut auf der Innenseite der Oberschenkel. Dann jedoch schnellte Aliena zurück, drehte sich blitzschnell um die eigene Achse und ließ den schweren Weinkrug auf seinen Schädel niederfahren.
    Mit der linken Hand gelang es William, den Schlag zu parieren. Mit der Rechten schlug er ihr ins Gesicht, und zwar so hart er konnte. Ein angenehmes Brennen auf seiner Handfläche verriet ihm, dass er voll getroffen hatte. Aliena schrie auf. Am Rande seines Blickfelds sah William, dass Richard aufsprang. Das war genau das, worauf er gehofft hatte. Er gab Aliena einen heftigen Stoß, sodass sie mit einem dumpfen Aufprall zu Boden stürzte.
    Wie ein Hirsch, der den Jäger annimmt, ging Richard auf ihn los. Nachdem William der ersten wütenden Attacke ausgewichen war, versetzte er Richard einen Hieb in die Magengrube, dem er, als der Junge sich vornüberkrümmte, einen ganzen Hagel von Schlägen auf Augen und Nase folgen ließ. Es war zwar nicht so schön, wie auf Aliena einzuschlagen, machte aber trotzdem Spaß. Nach wenigen Augenblicken war Richards Gesicht blutüberströmt.
    Plötzlich stieß Walter einen Warnschrei aus und sprang auf. Er starrte über Williams Schulter. William wirbelte herum und sah Matthew mit gezücktem Messer auf sich zukommen. Der Angriff traf ihn unvorbereitet – Kühnheit hatte er dem weibischen Haushofmeister nicht zugetraut. Da Walter nicht mehr rechtzeitig um den Tisch herumkam, konnte William zur Abwehr nur noch die Hände heben. Der furchtbare Gedanke durchzuckte ihn, er könne in der Stunde seines höchsten Triumphs getötet werden. Ein stärkerer Angreifer hätte Williams Arme einfach beiseitegeschlagen. Matthew hingegen war von schlanker Gestalt. Das angenehme Leben am Grafenhof hatte seinen Körper kaum gestählt, und so gelang es William, das Messer kurz vor seinem Hals abzufangen. Aber die Gefahr war noch nicht vorüber. Matthew hob zum zweiten Mal den Arm. Doch ehe er zustechen konnte – und während William einen Schritt zurücktrat und sein Schwert zog –, hatte Walter ihn erreicht und rammte ihm seinen langen, spitzen Dolch in den Rücken.
    Blankes Entsetzen zeichnete Matthews Blick. William sah, wie die Dolchspitze aus seiner Brust hervortrat und die Tunika zerriss. Matthew fiel das Messer aus der Hand und polterte auf die Dielenbretter. Er rang nach Luft – vergeblich, wie es schien; er brachte lediglich ein gurgelndes Geräusch hervor. Dann ging er in die Knie, aus seinem Mund floss Blut, die Augen schlossen sich. Während er zu Boden stürzte, riss Walter den Dolch aus seinem Rücken. Ein Blutstrahl schoss aus der Wunde, ebbte jedoch rasch wieder ab.
    Alle starrten sie die Leiche an –

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