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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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getäuscht hatte: Das war der Eintrittspreis.
    »Ich werde mir einen Penny beschaffen«, sagte sie, »und ihn dir so schnell wie möglich bringen. Willst du uns nicht gleich zu meinem Vater lassen, nur für einen Augenblick?«
    »Erst den Penny«, gab der Aufseher zurück, wandte sich ab und machte sich wieder ans Fegen.
    Aliena kämpfte mit den Tränen. Sie war drauf und dran – in der Hoffnung, Vater könne sie hören –, eine Botschaft hinauszuschreien, doch dann machte sie sich klar, dass solch ein verworrenes Gerufe ihn nur ängstigen und entmutigen konnte, ohne dass er wirklich Wichtiges erfuhr. In ohnmächtiger Wut wandte sie sich zum Gehen.
    Auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal um. »Wie geht es ihm? Wenigstens das kannst du mir doch sagen – bitte! Geht es ihm gut?«
    »Nein«, sagte der Gefangenenwärter. »Er liegt im Sterben. Und jetzt raus mit euch.«
    Aliena schossen die Tränen in die Augen, und sie stolperte durch die Tür, ging blindlings weiter und stürzte beinahe über ein Schaf oder ein Schwein. Sie begann zu schluchzen. Richard nahm sie beim Arm, und sie ließ sich von ihm führen. Sie verließen die Burg durch das Haupttor, durchquerten die Siedlungen mit ihren ärmlichen Hütten und winzigen Feldern und machten schließlich auf einer Wiese halt, wo sie sich auf einem Baumstumpf niederließen.
    »Dein Geheule lässt sich kaum noch ertragen, Aliena«, jammerte Richard.
    Aliena riss sich zusammen. Immerhin hatte sie ihren Vater ausfindig gemacht – war das etwa nichts? Und sie hatte erfahren, dass er krank war – aber der Gefängnisaufseher war ein grausamer Kerl und hatte wahrscheinlich gewaltig übertrieben. Nun brauche ich nur noch einen Penny aufzutreiben, dachte sie, dann kann ich selber mit Vater sprechen, selber sehen, wie gut oder schlecht es ihm geht, und ich kann ihn fragen, was ich tun soll – seinetwegen und Richards wegen.
    »Wie können wir einen Penny auftreiben, Richard?«, fragte sie.
    »Ich weiß nicht.«
    »Wir haben nichts zu verkaufen. Niemand würde uns etwas leihen. Du bist nicht abgebrüht genug zum Stehlen …«
    »Wir könnten betteln«, schlug er vor.
    Eine gute Idee! Soeben kam ein offensichtlich wohlhabender Bauer auf einem kräftigen kleinen Rappen den Hügel herunter. Aliena sprang auf und lief zur Straße. Kaum war der Bauer nahe genug, fragte sie ihn: »Gebt Ihr mir bitte einen Penny, mein Herr?«
    »Scher dich zum Teufel«, knurrte der Mann und spornte sein Pferd zu schnellerer Gangart an.
    Niedergeschlagen kehrte sie zu dem Baumstumpf zurück. »Bettler fragen immer nach Essen oder Kleidung«, sagte sie. »Ich habe noch nie gehört, dass man ihnen Geld gibt.«
    »Aber wie kommt man denn an Geld?«, wollte Richard wissen. Diese Frage hatte er sich offenkundig noch nie gestellt.
    »Der König nimmt Steuern ein, die Grundherren kriegen Pacht, die Priester den Zehnten. Ladenbesitzer leben vom Verkauf, und Handwerker bekommen Lohn. Bauern brauchen kein Geld, weil sie ihre Felder haben«, zählte Aliena auf.
    »Lehrlinge werden bezahlt.«
    »Tagelöhner auch. Wir könnten arbeiten gehen.«
    »Für wen?«
    »In Winchester gibt es jede Menge kleiner Manufakturen, die Leder und Stoffe herstellen«, sagte Aliena mit frischem Mut. »In einer Stadt kann man leicht Arbeit finden.« Sie erhob sich behände. »Komm, versuchen wir’s gleich!«
    Richard zögerte noch. »Ich kann aber nicht wie jeder x-beliebige einfache Mann arbeiten«, sagte er. »Ich bin schließlich der Sohn eines Grafen.«
    »Diese Zeiten sind vorbei«, gab Aliena unumwunden zurück. »Hast du nicht gehört, was der Aufseher gesagt hat? Du musst einsehen, dass du nichts Besseres bist – jetzt nicht mehr.«
    Er verzog missmutig das Gesicht und schwieg.
    »Also, ich gehe jetzt«, sagte sie. »Du kannst ja hierbleiben, wenn du willst.« Entschlossen ging sie auf das Westtor zu. Sie kannte Richards Launen und wusste, dass er niemals lange schmollte.
    Und tatsächlich holte er sie ein, noch bevor sie die Stadt erreicht hatte. »Sei mir bitte nicht böse, Allie«, bat er. »Ich werde schon arbeiten. Eigentlich bin ich ganz schön stark – ich werd bestimmt ein guter Arbeiter.«
    Sie lächelte ihn an. »Das glaube ich auch.« Das stimmte zwar nicht, aber sie sah keinen Sinn darin, ihn zu entmutigen.
    Sie traten auf die High Street hinaus. Aliena erinnerte sich, dass Winchester eine planvolle, rechteckige Anlage besaß. Nach Süden zu, nunmehr zur Rechten der Geschwister, war die Stadt in

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