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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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drei Teile gegliedert: Unweit des Westtors befand sich die Burg, im Anschluss daran kamen die Häuser der wohlhabenden Bürger und gen Südosten schließlich die Kathedrale und der Bischofspalast. Nördlich der High Street, zur Linken der Geschwister, fand sich zunächst das Judenviertel, woran sich ein Geschäftsviertel und im Nordosten die Manufakturen anschlossen.
    Aliena ging zielstrebig die High Street hinunter, bog kurz vor dem Osttor nach links in eine Straße, durch die ein schmaler Bach lief. Auf der einen Seite war die Straße gesäumt von ganz gewöhnlichen Häusern aus Stein oder Holz; die andere Straßenseite beherbergte ein Gewirr seltsamer Hütten, von denen die meisten aus nicht mehr als einem von Pfosten getragenen Dach bestanden und wirkten, als drohten sie jeden Augenblick zusammenzufallen. Jede dieser Hütten war durch eine kleine Brücke oder durch quer übers Wasser gelegte Planken mit dem Bach verbunden oder aber direkt darüber errichtet. Überall gingen Männer und Frauen ihrer Arbeit nach, die enorme Mengen von Wasser erforderten. Sie wuschen Wolle, gerbten Leder, walkten und färbten Tuch, brauten Bier. Die Nasen der Geschwister erschnupperten unzählige Gerüche: beißende und gärende, schwefelige und rauchige, harzige und faulige. Die dort arbeitenden Menschen wirkten allesamt geradezu ungeheuer fleißig. Auch Bauern hatten natürlich immer sehr viel zu tun und faulenzten nie, aber sie pflegten ihre Aufgaben bedächtig anzugehen und fanden oft Zeit für einen Schwatz mit Vorübergehenden oder zur Beobachtung von Dingen, die ihre Neugier weckten. Die Menschen in den Manufakturen dagegen sahen kein einziges Mal von ihrer Arbeit auf. Sie schien ihre gesamte Konzentration und Energie in Anspruch zu nehmen. Sie bewegten sich ausnahmslos rasch und zielstrebig, ob sie nun Säcke trugen, große Wassereimer ausleerten oder Leder und Tuche bearbeiteten. Der Anblick, den sie in ihren windschiefen, düsteren Hütten boten, wo sie ihrer rätselhaften Beschäftigung nachgingen, erinnerte Aliena unwillkürlich an die wild in Kesseln rührenden Dämonen, die sie auf Bildern von der Hölle gesehen hatte. Dann machte sie Halt an einer Hütte, wo sie erkennen konnte, was vor sich ging: Hier wurde Tuch gewalkt. Eine kräftige Frau schöpfte Wasser aus dem Becher, das sie in einen riesigen, mit Blei ausgeschlagenen Trog goss, hielt dabei ab und zu inne und gab aus einem Sack einen Scheffel Fullererde hinzu. Auf dem Boden des Bottichs lag, von Wasser durchtränkt, ein mehrere Ellen langes Tuch. Zwei Männer schlugen mit hölzernen Keulen heftig darauf ein. Diese Prozedur ließ das Tuch einlaufen und festigte es, wodurch es wetterbeständig wurde; außerdem entzog die Fullererde der Wolle das Fett. Am anderen Ende des Grundstücks stapelten sich Ballen unbehandelten, frisch und locker gewebten Tuchs neben Säcken voller Fullererde.
    Aliena überquerte den Bach und näherte sich den am Trog arbeitenden Leuten. Sie blickten kurz auf, unterbrachen ihre Arbeit jedoch nicht. Der Boden um sie herum war nass, und Aliena sah, dass alle barfuß waren. Dann wurde ihr klar, dass niemand innehalten und sie nach ihrem Anliegen fragen würde, daher fragte sie mit erhobener Stimme: »Ist euer Meister hier?«
    Die Frau gab ihr Antwort, indem sie mit dem Kopf auf den rückwärtigen Teil des Geländes wies.
    Aliena bedeutete Richard, ihr zu folgen, und ging durch ein Tor auf einen Hof, auf dem Tuchbahnen auf hölzernen Gestellen getrocknet wurden. Sie entdeckte das Gesicht eines Mannes, der, über ein Gestell gebeugt, das Tuch zurechtrückte. »Ich suche den Meister«, sagte sie.
    Er richtete sich auf und sah sie an, ein hässlicher Mann mit nur einem Auge und einem leichten Buckel, als hätte er sich jahrelang über Trockengestelle gebeugt und könnte sich nicht mehr gerade aufrichten. »Was gibt’s?«, fragte er.
    »Bist du der Walkmeister?«
    »Ich führ die Arbeit jetzt seit fast vierzig Jahren aus, im Knaben- wie im Mannesalter«, sagte er. »Ich hoffe, ich bin ein anerkannter Meister meines Faches. Was willst du?«
    Aliena wurde klar, dass sie an einen regelrechten Schlauberger geraten war. Sie schlug einen demütigen Tonfall an und fragte: »Mein Bruder und ich suchen Arbeit. Wirst du uns einstellen?«
    Er antwortete nicht sofort, sondern musterte sie erst einmal von oben bis unten. »Herr im Himmel, was soll ich mit euch anfangen?«
    »Wir tun jede Arbeit«, sagte Aliena beherzt. »Wir brauchen Geld.«
    »Mit euch kann

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