Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Jungen werden auf einer Stufe stehen, beide eine gute Ausbildung haben, beide arbeiten und über kurz oder lang auch gleich groß sein.
Tom wusste, dass Ellen das Zusammenleben mit ihm trotz all ihrer Prüfungen genossen hatte. Sie mochte seinen Körper und schätzte seinen Verstand. Sie würde gerne zu ihm zurückkehren.
Ob sich die Sache mit Prior Philip ins Reine bringen ließ, stand auf einem anderen Blatt. Ellen hatte Philips Religion zutiefst beleidigt und den Prior in kaum überbietbarer Weise gekränkt. Ob es für dieses Problem überhaupt eine Lösung gab? Tom wusste es nicht.
Vorerst jedoch wurden seine geistigen Kräfte voll und ganz von der Planung der Kathedrale in Anspruch genommen. Otto und seine Steinklopfer wollten sich am Steinbruch eine vorläufige Behausung bauen. Sobald sie sich dort eingerichtet hatten, würden sie mit dem Bau echter Häuser beginnen, und die Verheirateten unter ihnen konnten ihre Familie nachkommen lassen.
Von allen Bauhandwerkern erforderte die Arbeit im Steinbruch das geringste Geschick und die meiste Muskelkraft. Dem Steinbruchmeister oblag die Kopfarbeit. Er entschied, in welcher Reihenfolge der Abbau zu erfolgen hatte; er besorgte Leitern und Hebevorrichtungen; wurde an einer Wand gearbeitet, entwarf er das Gerüst. Auch war er für den steten Werkzeugnachschub aus der Schmiede verantwortlich. Die Förderung der Steine selbst war verhältnismäßig einfach. Der Steinbrecher hieb zunächst mit einer eisernen Spitzhacke eine Kerbe in die Felsen und vertiefte sie dann mit Hammer und Meißel. Sobald sie groß genug war, trieb er einen hölzernen Keil in die Vertiefung. Wenn er das Gestein richtig eingeschätzt hatte, spaltete es sich genau an der vorgesehenen Stelle.
Arbeiter schafften die Steine entweder auf Tragen aus dem Steinbruch oder hoben sie mittels eines Seils, das über ein riesiges Drehrad lief, hinaus. In der Bauhütte wurden die Blöcke von den Steinklopfern mit Äxten annähernd in die vom Baumeister angegebenen Formen gehauen. Die Feinarbeit erfolgte natürlich erst an Ort und Stelle in Kingsbridge.
Die größte Schwierigkeit war der Transport. Der Steinbruch war eine Tagesreise von der Baustelle entfernt. Ein Fuhrmann verlangte voraussichtlich vier Pence pro Ladung – und konnte dabei nicht mehr als acht oder neun große Steine befördern, ohne dass Karren oder Pferd Schaden nahmen. Sobald sich die Steinbrecher eingerichtet hatten, wollte Tom das Gebiet nach Wasserläufen erkunden, die eine Verkürzung der Reise ermöglichten.
Sie hatten Kingsbridge im Morgengrauen verlassen. Auf ihrem Weg durch den Wald erinnerten Tom die Bäume, die sich über die Straße wölbten, an die Pfeiler der Kathedrale, die er bauen wollte. Überall spross das frische Laub. Tom hatte gelernt, die Kapitelle mit Spiralen oder einem Zickzackmuster zu schmücken. Jetzt kam ihm der Gedanke, dass sich auch eine Blattornamentik anbot; sie würde sogar besonders ins Auge fallen.
Sie kamen gut voran und befanden sich gegen Mitte des Nachmittags bereits in der Nähe des Steinbruchs.
Zu seiner Überraschung vernahm Tom schon aus der Ferne den Klang von Metall auf Stein. Es hörte sich an, als würde dort eifrig gearbeitet. Rechtlich gehörte der Steinbruch Percy Hamleigh, dem Grafen von Shiring, doch der König hatte der Priorei in Kingsbridge das Privileg erteilt, dort Steine für ihre Kathedrale zu fördern. Vielleicht wollte Graf Percy gleichzeitig für seine eigenen Zwecke abbauen, was ihm der König vermutlich nicht ausdrücklich untersagt hatte. Lästig wäre es allemal.
Otto, ein Mann mit dunklem Teint und rauen Sitten, runzelte unwillig die Stirn, sagte aber nichts. Die anderen Männer brummelten ungehalten vor sich hin. Tom schenkte ihnen keine Beachtung, sondern schritt ungeduldig schneller aus, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Die Straße führte in einem weiten Bogen durch ein Waldstück und endete am Fuße eines Hügels. Der Hügel enthielt die begehrten Steine, und ein gewaltiges Stück war bereits von früheren Steinbrechern aus seiner Flanke genommen worden. Tom hatte den Eindruck, die Natur des Steinbruchs müsse die Arbeit erleichtern: Es war sicherlich einfacher, Steine aus der Höhe herabzulassen, als sie aus einem Loch heraufzuholen.
Im Steinbruch wurde gearbeitet, daran gab es nun keinen Zweifel mehr. Am Fuße des Hügels befand sich eine Hütte, ein massives Gerüst rankte sich etwa zwanzig Fuß den felsigen Hang empor, und unten lag ein Haufen Steine
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