Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
vergessen.«
»Ich bin so froh, dass du es eingelöst hast«, sagte Tom. »Ich habe mich nach dir gesehnt.«
Sie schien auf der Hut. »Ach ja?«
Dies war der Augenblick, auf den er ein Jahr lang gewartet und hingearbeitet hatte, doch nun, da es drauf ankam, hatte er Angst. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er sich in der Hoffnung wiegen können, dass Ellen zu ihm zurückkehren würde, doch wenn sie ihm jetzt eine Abfuhr erteilte, hatte er sie für immer und ewig verloren. Er hatte Angst davor, den Anfang zu machen. Das Schweigen zog sich in die Länge. Tom holte tief Luft. »Hör zu«, begann er. »Ich möchte, dass du zu mir zurückkommst. Also. Sag jetzt bitte nichts, bevor du mich angehört hast – bitte!«
»Gut«, erwiderte sie zurückhaltend.
»Philip ist ein sehr guter Prior. Dank seiner Leitung wird das Kloster reicher und reicher. Meine Arbeit hier ist sicher. Wir werden nie mehr auf der Straße stehen, nie, das verspreche ich.«
»Es war nicht, weil …«
»Ich weiß, aber ich will dir reinen Wein einschenken.«
»Gut.«
»Ich habe im Dorf ein Haus gebaut, mit zwei Räumen und einem Kamin, und ich kann es noch ausbauen. Wir brauchen nicht in der Priorei zu leben.«
»Aber Philip gehört das Dorf.«
»Philip steht im Augenblick in meiner Schuld.« Tom deutete mit einer weit ausholenden Armbewegung auf die Szenerie um sie herum. »Er weiß, dass er dies alles nicht ohne meine Hilfe auf die Beine hätte stellen können. Wenn ich ihn darum bitte, dir zu vergeben und das Jahr im Exil als Sühne anzuerkennen, so wird er damit einverstanden sein. Gerade heute wird er mir dieses Ansinnen nicht ausschlagen können.«
»Und was wird mit den Jungen?«, fragte sie. »Soll ich ruhig mitansehen, wie Alfred bei jedem Anfall von schlechter Laune Jack blutig schlägt?«
»Ich denke, ich habe auch dafür eine Lösung gefunden, glaub mir«, erwiderte Tom. »Alfred ist inzwischen Steinmetz. Wenn ich Jack als Lehrling einstelle, hat Alfred keinen Grund mehr, sich über seine Untätigkeit aufzuregen. Und du kannst Alfred Schreiben und Lesen beibringen, damit die Jungen einander ebenbürtig sind – beide arbeiten, und beide sind des Lesens und Schreibens kundig.«
»Du hast viel darüber nachgedacht, nicht wahr?«, sagte sie.
»Ja.«
Er wartete auf ihre Reaktion. Er hatte kein großes Vertrauen in seine Überzeugungskraft. Er konnte ihr lediglich sagen, was er meinte. Ja, wenn man alle seine Pläne zeichnerisch darstellen könnte! Aber ich habe doch alles gesagt, dachte er, was kann sie dagegen noch einwenden? Sie musste einfach zustimmen!
Doch Ellen zögerte noch immer. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte sie.
Da war es um seine Selbstbeherrschung geschehen. »Oh, Ellen, sag das bitte nicht.« Schon fürchtete er, vor all diesen Leuten in Tränen auszubrechen. Nur stockend konnte er weitersprechen. »Ich liebe dich so sehr, bitte geh nicht wieder fort. Nur die Hoffnung auf deine Rückkehr hat mir den Mut zum Durchhalten gegeben. Ich kann einfach nicht ohne dich leben. Bitte, Ellen, verschließ mir nicht die Türen zum Paradies! Siehst du denn nicht, dass ich dich aus tiefstem Herzen liebe?«
Ihr Verhalten veränderte sich sofort. »Warum hast du das nicht gleich gesagt?«, flüsterte sie und kam zu ihm. Tom nahm sie in die Arme. »Ich liebe dich auch, du Dummkopf«, sagte sie.
Ihm wurde ganz schwach vor Freude. Sie liebt mich wirklich, dachte er. Er drückte sie fest an sich und sah ihr ins Gesicht. »Willst du mich heiraten, Ellen?«
Sie hatte Tränen in den Augen – und lächelte. »Ja, Tom, ich heirate dich«, sagte sie und hob ihm ihr Gesicht entgegen.
Er drückte sie an sich und küsste sie auf den Mund. Ein Jahr lang hatte er von diesem Augenblick geträumt. Er schloss die Augen und genoss das Gefühl ihrer vollen Lippen auf seinem Mund. Ihr Mund war leicht geöffnet, und ihre Lippen waren feucht. Der Kuss war so wunderbar, dass er einen Augenblick lang alles um sich herum vergaß. Dann sagte jemand in der Nähe: »Verschluck sie nicht, Mann!«
Er befreite sich aus ihrer Umarmung und sagte: »Wir befinden uns in einer Kirche!«
»Na und?«, erwiderte Ellen fröhlich und küsste ihn gleich noch einmal.
Prior Philip hat uns wieder einmal alle überlistet, dachte William verbittert. Er saß im Haus des Priors, trank Philips verwässerten Wein und naschte kandierte Früchte aus der Klosterküche. Er hatte eine Weile gebraucht, um Philips triumphalen Erfolg in seiner ganzen Tragweite zu verstehen. An
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