Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Anweisungen, er flößte ihnen auch Mut ein. War er erst einmal aus dem Weg geschafft, würden sich die anderen ergeben. William zügelte sein Pferd und hielt nach dem dunkelhäutigen Mann Ausschau. Die meisten Frauen und Kinder waren verschwunden; nur zwei Fünfjährige standen mitten auf dem Schlachtfeld, hielten sich an den Händen und weinten. Williams Ritter stürmten zwischen den Häusern hindurch und machten Jagd auf die Arbeiter. Bestürzt stellte William fest, dass einer seiner Bewaffneten von einem Hammer niedergestreckt worden war und nun stöhnend und blutend auf dem Boden lag. Mit Verlusten auf der eigenen Seite hatte er ganz und gar nicht gerechnet! Eine Frau rannte kopflos und ununterbrochen rufend von einem brennenden Haus ins andere. William verstand kein Wort, doch er begriff, dass sie nach jemandem suchte. Endlich hatte sie die beiden Fünfjährigen entdeckt, schnappte sie sich und trug sie davon, einen unter jedem Arm. Auf ihrer Flucht stieß sie beinahe mit Gilbert de Rennes zusammen, einem von Williams Rittern. Gilbert hob schon das Schwert, um sie niederzustrecken, als plötzlich Otto hinter einer Hütte hervorsprang und mit seinem Beil ausholte. Die Klinge durchschnitt glatt Gilberts Oberschenkel und blieb im Holz des Sattels stecken. Das Bein fiel zu Boden, und Gilbert stürzte schreiend vom Pferd.
Er würde nie wieder kämpfen.
Gilbert war ein Ritter von unschätzbarem Wert. Wütend trieb William sein Pferd an. Die Frau mit den Kindern verschwand blitzschnell. Otto mühte sich mit seinem Beil ab, das noch immer in Gilberts Sattel steckte. Er sah auf und erkannte, dass William direkt auf ihn zuritt. Wäre er in diesem Augenblick davongerannt, hätte er vielleicht entkommen können, doch er rührte sich nicht vom Fleck und zerrte weiter an seinem Beil. William hatte ihn schon beinahe erreicht, als sich das Beil doch noch löste. Er hob sein Schwert, doch Otto wich und wankte nicht, sondern holte mit der Axt aus. Im letzten Moment begriff William, dass die Geste seinem Pferd galt und dass der Steinklopfer das Tier schwer treffen konnte, noch bevor er selbst nahe genug herangekommen war, um den Mann niederzustrecken. Verzweifelt zerrte William an den Zügeln, sein Ross kam rutschend zum Stehen, bäumte sich auf und wandte den Kopf. Ottos Hieb traf das Tier am Nacken. Das Beil drang tief in die starken Muskeln, und sofort sprudelte das Blut wie eine Fontäne aus der Wunde. Das Pferd sackte zu Boden. William konnte gerade noch abspringen, bevor der mächtige Leib auf dem Boden aufschlug.
Er war außer sich vor Wut. Dieses Schlachtross hatte ihn ein Vermögen gekostet und ein ganzes Jahr lang durch den Krieg getragen; es nun durch das Beil eines Steinklopfers zu verlieren machte ihn rasend. Ein mächtiger Satz über den Kadaver – und schon hieb er wild auf Otto ein.
Der gab sich so schnell nicht geschlagen. Er hielt sein Beil mit beiden Händen fest und parierte Williams Schwerthiebe mit dem eichenen Stiel. William schlug immer wilder um sich, und es gelang ihm, Otto zurückzutreiben. Der Mann war bärenstark, trotz seines Alters, und zuckte mit keiner Wimper. Nun packte auch William sein Schwert mit beiden Händen und hieb noch fester drauflos. Wieder parierte Otto mit dem Axtstiel, aber diesmal blieb Williams Klinge im Holz stecken. Das Blatt wendete sich: Jetzt trieb Otto William vor sich her. William riss heftig an seinem Schwert und bekam es schließlich auch frei, aber Otto war ihm gefährlich nahe gerückt.
Urplötzlich fürchtete William um sein Leben.
Otto hob das Beil. William wich zurück. Er blieb mit der Ferse hängen, stolperte, fiel rücklings über den Pferdekadaver und landete in einer Lache warmen Bluts, hatte jedoch glücklicherweise sein Schwert nicht verloren. Otto stand mit hocherhobenem Beil über ihm. Der Schlag sauste nieder, und William rollte sich mit letzter Verzweiflung zur Seite. Er spürte den Sog, mit dem die Waffe unmittelbar neben seinem Gesicht die Luft zerschnitt; dann war er mit einem Satz wieder auf den Beinen und stieß mit dem Schwert nach dem Steinklopfer.
Jeder Soldat wäre längst zur Seite gesprungen, statt seine Waffe aus dem Boden zu ziehen, denn am größten war die Verwundbarkeit nach einer fehlgeschlagenen Attacke. Aber Otto war kein Soldat, bloß ein tapferer Dummkopf, und so stand er, eine Hand am Stiel seines Beils, mit dem anderen Arm um sein Gleichgewicht rudernd, da – eine leichte Beute für William. Hastig stieß er zu, beinahe
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