Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Privilegien.
Mathilde sagte: »Ihr habt also beide etwas bekommen, William den Steinbruch und Prior Philip den Markt. Dafür werdet Ihr mir je hundert Pfund bezahlen. Das ist alles.« Damit wandte sie sich ab.
Philip war wie vom Donner gerührt. Hundert Pfund! Die Priorei besaß im Augenblick nicht einmal hundert Pennys. Woher sollte er wohl so viel Geld nehmen? Der Markt brauchte Jahre, bis er das abwarf! Dies war ein vernichtender Schlag, der das Bauprogramm auf lange Sicht hinaus verzögerte … Mit offenem Mund starrte Philip Mathilde an, die sich aber schon wieder in die Unterhaltung mit ihrer Hofdame vertieft hatte. Francis stieß ihn leicht an. Philip öffnete den Mund, doch Francis hielt sich den Finger vor die Lippen. »Aber –«, fing Philip an, doch Francis schüttelte heftig den Kopf.
Mutlos ließ Philip die Schultern hängen, wandte sich ab und kehrte der Königin den Rücken.
Francis zeigte sich nach seinem Rundgang durch das Kloster zu Kingsbridge höchst beeindruckt. »Als ich vor zehn Jahren hier war«, meinte er respektlos, »war dies die reinste Bruchbude. Du hast sie wieder zum Leben erweckt.«
Besonderen Gefallen fand er an der Schreibstube, die Tom während Philips Aufenthalt in Lincoln fertiggestellt hatte. Der kleine Anbau am Kapitelhaus besaß hohe Fenster, einen Kamin mit Abzug, eine Reihe Schreibpulte und einen großen Bücherschrank aus Eichenholz. Vier Klosterbrüder waren bereits an der Arbeit und schrieben, vor den hohen Pulten stehend, mit Federkielen auf Pergamentbögen. Drei von ihnen waren mit Abschriften beschäftigt: einer mit den Psalmen Davids, der zweite mit dem Matthäusevangelium und der dritte mit der Ordensregel des heiligen Benedikt. Der vierte, Bruder Timothy, schrieb die Geschichte Englands nieder, die allerdings mit der Erschaffung der Welt einsetzte, sodass Philip befürchtete, der alte Knabe brächte sie nie zu Ende. Philip hatte nur wenige Steine von der Kathedrale abzweigen wollen, und so war die Schreibstube recht klein geraten, aber sie war warm, trocken und hell und erfüllte ihren Zweck. »Es ist eine Schande, wie wenig Bücher das Kloster hat«, erklärte Philip, »doch da sie unerschwinglich für uns sind, ist dies der einzige Weg, unsere Sammlung zu vergrößern.«
Das Erdgeschoss barg eine Werkstatt, in der ein alter Mönch zwei Novizen beibrachte, wie Schafshäute zur Herstellung von Pergament gespannt, Tinte gemischt und lose Blätter zu Büchern gebunden wurden. »Du wirst bald sogar Bücher verkaufen können«, meinte Francis.
»O ja – die Schreibstube wird sich über kurz oder lang doppelt und dreifach bezahlt machen.«
Sie verließen das Gebäude und spazierten durch den Kreuzgang. Dies war die Zeit, die dem Selbststudium gewidmet war, und die meisten Mönche lasen. Andere meditierten auch, was, wie Francis skeptisch bemerkte, einem Nickerchen verdächtig ähnlich sah. In der Nordwestecke leierten zwanzig Schuljungen ihre lateinischen Verben herunter. Philip blieb stehen und deutete auf einen von ihnen. »Siehst du den Kleinen dort am Ende der Bank?«
»Der auf seine Schiefertafel schreibt und dabei die Zunge herausstreckt?«
»Das ist der Knabe, den du im Wald gefunden hast.«
»Wie groß er geworden ist!«
»Fünfeinhalb Jahre und frühreif dazu.«
Francis schüttelte verwundert den Kopf. »Wie doch die Zeit vergeht! Wie macht er sich?«
»Die Mönche verhätscheln ihn nach Strich und Faden, aber er wird es überleben, genau wie wir beide auch.«
»Wer sind die anderen Schüler?«
»Teils Novizen, teils Söhne von Kaufleuten und hiesigen Adligen. Sie sollen bei uns Schreiben und Rechnen lernen.«
Vom Kreuzgang gingen sie zur Dombaustelle hinüber. Vom Ostteil der neuen Kathedrale stand nun schon mehr als die Hälfte. Die lange Doppelreihe mächtiger Säulen mit den bereits vollendeten Bogen ragte vierzig Fuß in die Höhe. Über der Arkade zeichnete sich andeutungsweise schon das künftige Triforium ab, und zu ihren beiden Seiten waren die niedrigeren Mauern der Seitenschiffe hochgezogen worden, aus denen die Strebepfeiler herausragten. Während des Rundgangs bemerkte Philip, dass die Steinmetzen an den Halbbogen bauten, welche die Strebepfeiler mit dem Triforium verbinden und das Gewicht des Daches tragen sollten.
Francis staunte nur so. »Was du alles auf die Beine gestellt hast, Philip!«, sagte er. »Die Schreibstube, die Schule, die neue Kirche, ja sogar die neuen Häuser in der Stadt – ohne dich wäre das alles
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