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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ihm.
    »Warum hast du mir nicht gesagt, wie schön sie ist?«, wollte Francis wissen.
    »Schön? Mag schon sein.«
    Francis lachte. »Philip, du bist blind! Sie gehört zu den schönsten Frauen, die mir je begegnet sind. Bei ihrem Anblick könnte man glatt in Versuchung geraten, die Priesterwürde an den Nagel zu hängen.«
    Philip sah ihn scharf an. »So solltest du nicht daherreden.«
    »Entschuldige.«
    Aliena verriegelte das Lager, und sie begaben sich in das große, mit einem Hauptraum und separatem Schlafzimmer ausgestattete Haus. In der Ecke stand ein Fass Bier, von der Decke hing ein ganzer Schinken, und der Tisch war mit einem weißen Leinentuch gedeckt. Eine Magd schenkte den Wein für die Gäste aus einer Karaffe in silberne Becher. Aliena lebte in guten Verhältnissen. Wenn sie so schön ist, sinnierte Philip, warum hat sie dann keinen Mann? An Bewerbern herrschte wahrlich kein Mangel: Sämtliche heiratsfähigen jungen Männer im Umkreis hatten ihr den Hof gemacht, doch sie hatte alle abgewiesen. Philip war ihr so dankbar, dass er sie ebenfalls glücklich sehen wollte.
    Alienas Gedanken kreisten noch um ihre Abmachung. »Das Geld werde ich erst nach der Wollmesse in Shiring haben«, sagte sie, sobald sie auf ihren Handel angestoßen hatten.
    Philip wandte sich an Francis. »Wird Mathilde so lange warten?«
    »Wie lange?«
    »Die Messe findet Donnerstag in drei Wochen statt.«
    Francis nickte. »Ich werde es ihr ausrichten. Sie wird sich gedulden.«
    Aliena löste ihre Haube, schüttelte ihre dunkle Lockenpracht und seufzte matt. »Die Tage sind viel zu kurz«, sagte sie. »Die Zeit reicht hinten und vorne nicht. Ich würde gerne mehr Wolle kaufen, aber ich muss erst genügend Fuhrleute finden, die sie mir nach Shiring transportieren.«
    Philip sagte: »Und nächstes Jahr werdet Ihr sogar noch mehr haben.«
    »Ich wünschte nur, wir könnten die Flamen nach Kingsbridge locken. Das wäre viel einfacher, als sämtliche Vliese nach Shiring zu schaffen.«
    »Und warum tut Ihr das nicht?«, warf Francis ein.
    Die beiden sahen ihn verblüfft an. »Wie denn?«, fragte Philip.
    »Indem Ihr Eure eigene Wollmesse abhaltet.«
    Philip dämmerte, worauf Francis hinauswollte. »Geht das denn?«
    »Mathilde hat Euch die gleichen Rechte wie Shiring verliehen. Ich habe die Urkunde eigenhändig ausgefertigt. Wenn Shiring eine Wollmesse abhalten kann, dann könnt Ihr das auch.«
    »Oh, das wäre wunderbar!«, sagte Aliena. »Dann bräuchten wir nicht die ganze Ladung Säcke nach Shiring zu karren. Wir könnten unsere Geschäfte hier abschließen und die Wolle direkt nach Flandern verschiffen.«
    »Das ist noch das Geringste«, wandte Philip aufgeregt ein. »Eine Wollmesse wirft in einer einzigen Woche mehr ab als ein Sonntagsmarkt im ganzen Jahr. Dieses Jahr wird es natürlich noch nicht klappen – niemand würde davon erfahren. Aber wir können schon auf der diesjährigen Wollmesse in Shiring für unsere eigene im nächsten Jahr werben und sicherstellen, dass wirklich alle Aufkäufer Bescheid wissen …«
    »Das wird erhebliche Auswirkungen auf Shiring haben«, sagte Aliena. »Wir beide zusammen haben die größte Menge an Vliesen in der ganzen Grafschaft zu verkaufen. Ohne uns ist die Wollmesse in Shiring nur noch halb so viel wert.«
    »William Hamleigh wird also Verluste machen«, meinte Francis. »Der wird wütend wie ein Stier.«
    Francis hat den Nagel auf den Kopf getroffen, dachte Philip und schüttelte sich unwillkürlich vor Widerwillen. William glich tatsächlich einem wütenden Stier.
    »Na und?«, meinte Aliena. »Wenn Mathilde uns die Erlaubnis gegeben hat, dann steht einer Wollmesse nichts im Wege. Und William kann uns nichts anhaben, oder?«
    »Das will ich doch hoffen«, sagte Philip inbrünstig. »Das will ich doch stark hoffen.«

Kapitel X
    Am Gedenktag des heiligen Augustinus war Punkt zwölf Uhr Feierabend, und die Bauleute begrüßten das mittägliche Glockenzeichen mit einem Seufzer der Erleichterung. Gewöhnlich arbeiteten sie an sechs Wochentagen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, sodass sie die Erholungspausen, die ihnen die Heiligentage boten, gut brauchen konnten. Allein Jack war so vertieft in seine Arbeit, dass er das Läuten nicht hörte.
    Die Herausforderung, harten Stein in weiche, runde Formen zu verwandeln, hatte ihn völlig in Bann geschlagen. Der Stein hatte seinen eigenen Willen und setzte sich zur Wehr, wenn Jack ihm gewaltsam zu Leibe rückte: Entweder rutschte der Meißel ab,

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