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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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könntest an einer anderen Kirche arbeiten.«
    »Mag schon sein, dass ich einen anderen Dom ebenso zu lieben lerne wie diesen«, sagte er verzagt. Und fügte in Gedanken hinzu: Aber nie werde ich eine andere Frau ebenso lieben, wie ich Aliena liebe.
    Mutter sagte: »Wie konnte Tom dir nur so etwas antun?«
    Jack seufzte. »Ich glaube nicht, dass es seine Absicht war. Prior Philip hat gesagt, dass er mich und Alfred nicht zusammen auf der Baustelle dulden wird.«
    »Dieser verdammte Mönch steckt also dahinter!«, sagte Mutter wütend. »Ich schwöre –«
    »Er war über den Schaden, den wir angerichtet haben, sehr aufgebracht.«
    »Ich möchte nur wissen, ob man ihn zur Vernunft bringen könnte.«
    »Wie meinst du das?«
    »Gott soll doch angeblich barmherzig sein – vielleicht trifft das auch auf Mönche zu.«
    »Meinst du etwa, dass ich ihn anflehen sollte?«, fragte Jack, den die Wendung in der Denkweise seiner Mutter überraschte.
    »Ich dachte eher daran, selbst mit ihm zu reden«, erwiderte sie.
    »Du?« Das sah ihr ganz und gar nicht ähnlich. Jack konnte es kaum fassen. Mutter musste schon arg mitgenommen sein, um sich Philips Gnade auszuliefern.
    »Was hältst du davon?«, fragte sie ihn.
    Jack erinnerte sich, dass Philip, soweit Tom es beurteilen konnte, nicht bereit gewesen war, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Doch Tom hatte ohnehin nur ein Ziel im Auge gehabt: dass die Zunft nicht lange fackelte, sondern schnell reinen Tisch machte. Und nachdem Tom Philip einmal versprochen hatte, sie würde kurzen Prozess machen, konnte er im Nachhinein schlecht um Nachsicht bitten. Mutters Fall lag anders, und Jack wurde etwas leichter ums Herz. Vielleicht würde er doch nicht gehen müssen. Vielleicht konnte er doch noch in Kingsbridge bleiben, in der Nähe der Kathedrale – und Alienas. Er hatte die Hoffnung aufgegeben, dass sie seine Liebe je erwidern würde; dennoch konnte er sich nicht mit dem Gedanken befreunden, sie auf Nimmerwiedersehen zu verlassen.
    »Na schön«, meinte er. »Dann lass uns gehen und Prior Philip um Gnade bitten. Schließlich haben wir außer unserem Stolz nichts zu verlieren.«
    Mutter hüllte sich in ihren Umhang, und die beiden verließen gemeinsam das Haus; Martha blieb bekümmert allein am Tisch zurück.
    Es kam nicht oft vor, dass Jack Seite an Seite mit seiner Mutter ging; erst jetzt fiel ihm auf, wie klein sie war. Er kam sich wie ein Riese neben ihr vor. Plötzlich flog sein Herz ihr zu. Stets war sie bereit, wie eine Wildkatze für ihn zu kämpfen. Er legte seinen Arm um sie und drückte sie an sich. Sie lächelte ihn an, als wüsste sie, was in ihm vorging.
    Sie betraten das Klostergelände und begaben sich zum Haus des Priors. Mutter klopfte und trat ein. Tom und Philip saßen beisammen, und Jack entnahm ihren Gesichtern, dass Tom sein Geständnis über den Kirchenbrand nicht hinterbracht hatte. Was für eine Erleichterung! Nun würde er wahrscheinlich nie mehr den Mut dazu finden. Jacks Geheimnis war bei ihm sicher aufgehoben.
    Tom sah besorgt, ja fast ein wenig ängstlich drein, als er Mutter erblickte. Jack hatte noch seine Worte im Ohr: Ich habe für dich getan, was ich konnte – ich hoffe nur, deine Mutter begreift das. Tom hatte den letzten Streit zwischen Jack und Alfred bestimmt nie vergessen, denn Mutter hatte ihn daraufhin verlassen. Tom hatte Angst vor einer Wiederholung.
    Jack fiel auf, dass der Zorn aus Philips Gesicht gewichen war. Ob die Entscheidung der Zunft ihn besänftigt hatte? Hatte er womöglich Gewissensbisse wegen der Härte seines Urteils?
    Mutter eröffnete das Gespräch. »Ich bin gekommen, Euch um Nachsicht zu bitten, Prior Philip.«
    Toms Gesicht spiegelte Erleichterung wider.
    »Ich höre«, sagte Philip.
    Mutter sagte: »Ihr tragt Euch mit der Absicht, meinen Sohn fortzujagen und ihn von allem zu trennen, was ihm lieb und teuer ist – seiner Heimat, seiner Familie und seiner Arbeit.«
    Und der Frau, die er anbetet, dachte Jack bei sich.
    »Wirklich?«, erwiderte Philip. »Ich dachte, er sei lediglich entlassen worden.«
    »Er hat außer der Baukunst nichts gelernt, und in Kingsbridge gibt es keine andere Arbeit für ihn. Außerdem hat er sich dieser riesigen Kirche mit Leib und Seele verschrieben. Es wird ihn stets dorthin ziehen, wo jemand eine Kathedrale baut. Er würde sogar bis nach Jerusalem ziehen, wenn er dort nur Steine findet, aus denen er Engel und Teufel herausmeißeln kann.«
    Woher weiß sie das nur alles, fragte sich Jack.

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