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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Angst und Schrecken. Ihre riesigen Pferde, nicht weniger furchtsam als die Menge, bäumten sich auf, wichen zurück, stürmten erneut los und stampften alles nieder, was ihnen zwischen die Hufe geriet. Ihre bewaffneten und behelmten Reiter schlugen mit Keulen und Fackeln um sich, mähten Männer, Frauen und Kinder um, setzten Marktstände, Kleidung und Haare in Brand. Es gab niemanden, der nicht wie am Spieß schrie. Noch mehr Berittene drängten nach, noch mehr Leiber fielen den malmenden Hufen zum Opfer. Tom brüllte Alfred ins Ohr: »Schlag dich zum Kreuzgang durch – ich will mich vergewissern, dass die anderen in Sicherheit sind. Lauf schon!« Er gab ihm einen Stoß, und Alfred machte sich davon.
    Tom wollte sich zu Alienas Bude durchschlagen. Doch er hatte noch kaum zwei Schritte getan, als er über einen am Boden liegenden Körper stolperte und hinschlug. Fluchend rappelte er sich wieder auf; aber bevor er noch richtig zum Stehen kam, sah er, wie sich ein Schlachtross mit angelegten Ohren und geblähten Nüstern vor ihm aufbäumte. Er sah das Weiße in den vor panischer Angst verdrehten Augen des Tieres, und über dem Pferdekopf sah er das vor Hass und Triumph zur Fratze verzerrte Gesicht von William Hamleigh. Es schoss ihm durch den Kopf, wie schön es wäre, Ellen noch einmal in seinen Armen zu halten, da traf ihn auch schon ein riesiger Huf mitten auf die Stirn. Ein furchtbarer, grauenvoller Schmerz drohte seinen Schädel zu sprengen, und alles wurde schwarz um ihn.
    Als Aliena zum ersten Mal den Brandgeruch wahrnahm, dachte sie noch, er käme von dem Essen, das sie servieren wollte.
    Drei flämische Aufkäufer saßen vor ihrem Lagerhaus um einen Tisch, rundliche Männer mit schwarzen Bärten, deren Englisch einen starken germanischen Akzent hatte und deren Kleidung aus feinstem Tuch gefertigt war. Bisher lief alles nach Plan. Sie stand im Begriff, die ersten Verkäufe zu tätigen, hatte aber beschlossen, vorher das Mittagessen aufzutragen, um die Händler ein wenig auf die Folter zu spannen. Trotzdem würde sie einen Seufzer der Erleichterung tun, wenn dieses riesige Vermögen an Wolle endlich den Besitzer wechselte.
    Sie setzte ihnen die Platte mit den in Honig gebratenen Schweinekoteletts vor: Das Fleisch, schön kross und mit angebräuntem Fettrand, fand sogar vor ihrem kritischen Auge Gnade. Sie schenkte Wein nach. Einer der Flamen sog prüfend die Luft ein, worauf sich auch die anderen besorgt umsahen. Aliena bekam es plötzlich mit der Angst zu tun: Ein Brand war der Albtraum jedes Wollhändlers. Sie sah zu Ellen und Martha hinüber, die ihr beim Auftragen des Essens halfen. »Riecht ihr den Rauch auch?«, wollte sie wissen.
    Bevor sie noch antworten konnten, tauchte Jack auf. Aliena, die sich noch immer nicht an seine Mönchskutte und die Tonsur gewöhnt hatte, nahm die Angst in seiner Miene wahr. Am liebsten hätte sie ihn in den Arm genommen und ihm die Sorgenfalten von der Stirn geküsst. Aber dann fiel ihr wieder ein, wie sie sich damals vor sechs Monaten in der alten Mühle hatte gehenlassen, und sie kehrte ihm rasch den Rücken. Die bloße Erinnerung daran trieb ihr noch immer die Schamröte ins Gesicht.
    »Es gibt Ärger!«, rief er gehetzt. »Wir müssen alle im Kreuzgang Schutz suchen!«
    Sie sah ihn an. »Was ist passiert – brennt es irgendwo?«
    »Graf William ist mit seinen Mannen eingefallen«, erwiderte er.
    Aliena packte nacktes Entsetzen. William! Schon wieder William!
    »Sie haben die Stadt in Brand gesteckt. Tom und Alfred sind schon auf dem Weg zum Kreuzgang. Kommt mit, bitte!« Die Worte sprudelten nur so aus Jack heraus.
    Ellen fackelte nicht lange und ließ die Salatschüssel, die sie gerade zu Tisch trug, den verdutzten Flamen vor die Füße fallen. »Herrje!«, sagte sie und packte Martha beim Arm. »Nichts wie weg hier!«
    Alienas Blick glitt sorgenvoll zu ihrem Lager. Dort stapelte sich Rohwolle im Wert von mehreren hundert Pfund, die sie vor dem Feuer bewahren musste – nur wie? Jack sah sie erwartungsvoll an. Die Käufer verließen eilends die Tafel, und Aliena sagte zu Jack: »Geh nur. Ich muss bei meinem Stand bleiben.«
    Ellen drängte: »Jack – komm schon!«
    »Einen Augenblick noch«, sagte der und wandte sich Aliena zu.
    Aliena entging nicht, dass Ellen zögerte, hin und her gerissen zwischen dem Drang, Martha in Sicherheit zu bringen, und dem Wunsch, auf Jack zu warten. »Jack! Jack!«, mahnte sie.
    Er drehte sich zu ihr um. »Mutter! Geh schon mit Martha

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