Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
brennenden Fackel in der Hand. Tom packte das Grauen: Das konnte nur zu einer Katastrophe führen!
Da fiel sein Blick auf Jack, der unmittelbar neben ihm stand und leicht belustigt zu ihm aufschaute. »Was stehst du denn auf einem Bierfass herum?«, wollte er wissen.
»Wir kriegen Ärger!«, sagte Tom mit Nachdruck. »Wo ist deine Mutter?«
»Bei Aliena, an ihrem Stand. Was denn für Ärger?«
»Sieht schlimm aus. Wo sind Alfred und Martha?«
»Martha ist bei Mutter. Alfred schaut bei den Hahnenkämpfen zu. Was ist denn los?«
»Sieh selbst.« Tom reichte Jack die Hand und zog ihn auf das Fass, wo er mühsam balancierend vor Tom zu stehen kam. Die Reiter preschten bereits über die Brücke ins Dorf hinein.
»Um Himmels willen, wer ist das denn?«, fragte Jack.
Tom heftete seinen Blick auf den Anführer, einen Hünen auf einem Schlachtross. Er erkannte das gelbe Haar und die kräftige Statur. »Das ist William Hamleigh«, sagte er.
Die Männer ritten eben an den ersten Häusern vorbei, hielten ihre Fackeln an die Dächer und setzten das Stroh in Brand. »Die brennen ja die ganze Stadt nieder!«, entfuhr es Jack.
»Das wird noch schlimmer, als ich dachte«, meinte Tom.
»Nichts wie runter hier!«
Sie sprangen gleichzeitig vom Fass herunter.
»Ich hole Mutter und Martha«, sagte Jack.
»Bring sie in den Kreuzgang«, drängte Tom. »Das ist der einzig sichere Ort. Wenn die Mönche sich widersetzen, dann sag ihnen, sie können dich mal.«
»Und wenn sie die Tür verriegeln?«
»Ich habe gerade erst das Schloss aufgebrochen. Mach schnell. Ich kümmere mich um Alfred. Beeil dich!«
Jack eilte davon. Tom arbeitete sich zum Hahnenkampfplatz durch und machte dabei ausgiebig von seinen Ellenbogen Gebrauch. Mehrere Männer verwünschten ihn lauthals, aber er hörte gar nicht hin, zumal sie seine Statur und seine finster entschlossene Miene rasch zum Verstummen brachte. Es dauerte nicht lange, da zog auch schon der Rauch von den Häusern bis über das Klostergelände. Tom roch ihn und sah, wie ein oder zwei Leute in seiner Nähe ebenfalls befremdet schnupperten. Nur noch wenige Augenblicke, und alles würde in Panik ausbrechen.
Die Hahnenkämpfe wurden gleich bei der Klosterpforte ausgetragen und waren umlagert von einer riesigen, lärmenden Menge. Tom drängte sich durch und hielt nach Alfred Ausschau. Die Menschenmenge hatte sich um ein flaches, etwa zwei Fuß messendes Loch gesammelt, in dem sich zwei Hähne mit Schnäbeln und bespornten Klauen gegenseitig zerfleischten. Blut spritzte, und Federn flogen. Alfred stand in der ersten Reihe, völlig gefesselt von dem Kampf, und feuerte einen der beiden Unglücksraben – es war nicht ersichtlich, welchen – mit gellender Stimme an. Tom zwängte sich zu ihm durch und packte ihn am Arm. »Komm mit!«, rief er.
»Ich hab aber sechs Pennys auf den Schwarzen gesetzt!«, schrie Alfred zurück.
»Wir müssen schnellstens hier raus!«, herrschte Tom ihn an. Im gleichen Augenblick trieb eine Rauchfahne über den Kampfplatz. »Riechst du denn das Feuer nicht?«
Ein, zwei andere Zuschauer hatten das Wort Feuer aufgeschnappt und sahen Tom neugierig an. Erneut wehte eine Rauchfahne herüber, und nun rochen es alle, auch Alfred. »Was ist das?«, fragte er.
»Die Stadt brennt!«, gab Tom zurück.
Plötzlich wollte niemand mehr bleiben. Schiebend und drängelnd zerstreuten sich die Männer in alle Himmelsrichtungen. Auf dem Kampfplatz machte der schwarze Hahn dem braunen den Garaus, doch das kümmerte niemanden mehr. Alfred schlug die falsche Richtung ein, und Tom packte ihn erneut. »Zum Kreuzgang!«, befahl er. »Das ist der einzig sichere Ort.«
Der Rauch trieb nun in großen Schwaden herüber, und die Leute bekamen es mit der Angst zu tun. Alles lief kopflos durcheinander. Tom warf einen Blick über die wogenden Köpfe und sah, dass die Menge durch die Klosterpforte hinausdrängte; das war unklug, denn der Durchgang war schmal, und dort draußen waren sie auch nicht sicherer als auf dem Klostergelände. Trotzdem schlossen sich immer mehr dem Exodus an, sodass Tom mit Alfred schließlich gegen einen Menschenstrom ankämpfen musste, der sich ihnen entgegenwälzte. Doch urplötzlich schlug die Stimmung um, und alles drängte wieder zurück. Tom sah sich nach einem Grund für diesen überraschenden Sinneswandel um – und entdeckte den ersten Reiter, der auf den Klosterhof zupreschte. In diesem Moment wurde die Menge zur entfesselten Meute.
Die Krieger verbreiteten
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