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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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sich so etwas noch leisten konnten, als Hausmagd zu verdingen. Doch alle Pläne, die sie schmiedete, quittierte ein stets präsenter Jack in ihrem Kopf mit höhnischem Gelächter. »Ohne mich geht alles schief«, behauptete er dreist. Das Schäferstündchen mit ihm am Morgen ihres Hochzeitstages war die ärgste Sünde, die sie in ihrem Leben je begangen hatte, davon war Aliena inzwischen überzeugt, und alles Unheil danach war ihre Strafe dafür. Dennoch gab es immer wieder Augenblicke, in denen sie das Gefühl hatte, eben jene Schandtat sei das einzig Gute in ihrem Leben gewesen – sie brauchte sich ja nur ihr Söhnchen anzusehen, und die Reue war wie fortgeblasen. Ihre Rastlosigkeit ließ sich indessen nicht mehr vertreiben. Ein Kind war nicht alles; sie fühlte sich unvollständig, unausgefüllt. Das Haus war ihr mit einem Mal zu eng, Kingsbridge erschien ihr wie ausgestorben, ihr Leben langweilig und ereignislos. Es dauerte nicht lange, da bekam auch das Kind ihre Ungeduld zu spüren, und Martha musste sich ein ums andere Mal bissige Bemerkungen gefallen lassen.
    Als der Sommer vorüber war, brachte der Bauer Richards Schlachtross zurück – es wurde nicht mehr gebraucht. Von einem Tag auf den anderen waren die Geschwister ohne Einkünfte. An einem Herbstmorgen machte sich Richard auf den Weg nach Shiring, um seine Rüstung zu verkaufen. Um Geld zu sparen, begnügte sich Aliena zum Abendbrot mit ein paar Äpfeln. Da ging auf einmal die Tür auf, und Jacks Mutter stand vor ihr.
    »Ellen!«, rief Aliena aus. Sie war mehr als erschrocken – sie war bestürzt. Ellen hatte eine kirchliche Heirat mit einem Fluch belegt und musste daher noch immer mit einer Bestrafung durch Prior Philip rechnen.
    »Ich möchte gerne meinen Enkel sehen«, sagte Ellen gelassen.
    »Aber woher weißt du …?«
    »So etwas spricht sich herum, selbst draußen im Wald.« Ellen trat an die Wiege, die in der Ecke stand, und betrachtete das schlafende Kind. Ihre harten Züge entspannten sich. »Hübsch, hübsch … nein, da besteht kein Zweifel, wer der Vater ist. Macht er sich gut?«
    »Er war nicht einmal krank bisher«, sagte Aliena stolz. »Er ist zwar nicht groß, aber ungemein zäh.« Und rasch fügte sie noch hinzu: »Wie seine Großmutter.« Ellen war magerer geworden, ihre Haut dunkler. Sie trug eine kurze Ledertunika, die ihre braunen Waden freigab, und sie war barfuß. Sie wirkte jung und gesund – das Leben in den Wäldern schien ihr zu bekommen. Aliena rechnete nach und kam zu dem Ergebnis, dass Ellen jetzt fünfunddreißig Jahre alt sein musste. »Du siehst gut aus«, sagte sie.
    »Ihr fehlt mir«, erwiderte Ellen. »Ihr alle, du und Martha, ja sogar dein Bruder Richard. Jack fehlt mir sehr – und am meisten fehlt mir Tom.« Sie war auf einmal sehr traurig.
    Aliena machte sich noch immer Sorgen um Ellens Sicherheit. »Hat dich irgendwer unterwegs gesehen? Die Mönche wollen dich vielleicht immer noch bestrafen.«
    Ellen grinste. »In ganz Kingsbridge gibt es keinen einzigen Mönch, der es wagen würde, Hand an mich zu legen«, sagte sie. »Ich war aber trotzdem vorsichtig – kein Mensch hat mich gesehen.« Sie schwieg, ließ Aliena jedoch nicht aus den Augen. Der Blick ihrer honigfarbenen Augen war so streng, dass Aliena sich immer unbehaglicher fühlte.
    Nach einer Weile sagte Ellen: »Du vergeudest dein Leben.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Aliena, obwohl die Worte eine ganz bestimmte Saite in ihr zum Klingen gebracht hatten.
    »Du solltest hier raus und Jack suchen.«
    Es klang wie eine süße Verheißung, aber Aliena antwortete: »Das kann ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Zunächst einmal deshalb, weil ich keine Ahnung habe, wo er sich befindet.«
    »Ich weiß es.«
    Alienas Herz schlug auf einmal schneller. Sie war davon ausgegangen, dass niemand über Jacks Verbleib Bescheid wusste, ja es war ihr, als sei er vollkommen vom Erdboden verschwunden. Ellens Enthüllung änderte alles. Jack konnte nicht weit sein – und sie, Aliena, konnte ihm seinen Sohn zeigen.
    »Zumindest weiß ich, wo er hinwollte«, ergänzte Ellen.
    »Wohin?«, drängte Aliena.
    »Nach Santiago de Compostela.«
    »O du mein Gott!« Aliena hätte heulen können, so enttäuscht war sie. Santiago lag in Spanien und war die Grabstätte des heiligen Jakobus. Eine Reise dorthin dauerte mehrere Monate.
    »Er hoffte, auf der Reise mit Spielleuten ins Gespräch zu kommen und etwas über seinen Vater zu erfahren.«
    Aliena nickte betrübt. Das klang

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