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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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hinaus auf den Dreschboden der Mühle. Dort aber wendete sich das Blatt, denn nun konnten auch Walter und Gervase ins Kampfgeschehen eingreifen. Richard blieb angesichts der Übermacht nichts anderes übrig, als sich wieder zurückzuziehen. Kaum war er wieder im Gang, blieben die Ritter zurück, und es entspann sich erneut ein Duell zwischen ihm und William.
    William erkannte, dass Richard sich in einer kniffligen Lage befand: Sobald er Boden gewann, musste er gegen drei Gegner kämpfen. Er, William, konnte das Feld Walter überlassen, wenn er ermüdete – Richard hatte niemanden, der ihn entlastete; irgendwann mussten ihn im Kampf gegen drei Gegner die Kräfte verlassen. Er stand im Grunde auf verlorenem Posten. Vielleicht, dachte William, ist heute nicht der Tag meiner größten Erniedrigung, sondern der Tag, an dem ich meinem ältesten und ärgsten Feind endlich den Todesstoß gebe …
    Richards Überlegungen mussten sich in derselben Richtung bewegt haben, und möglicherweise war er sogar zu demselben Schluss gekommen. Von einem Nachlassen seiner Kräfte oder seiner Entschlossenheit konnte bisher allerdings keine Rede sein – im Gegenteil. Unvermittelt machte er einen Satz nach vorn und stieß das Schwert vor. William konnte dem Stoß ausweichen, geriet dabei aber ins Stolpern. Mit einem Hechtsprung warf sich Walter dazwischen, um den Todesstoß gegen seinen Herrn zu verhindern. Richard verzichtete jetzt auf ein Nachsetzen. Er machte auf dem Absatz kehrt und flüchtete.
    William erhob sich und stieß mit Walter zusammen, während Gervase sich an ihnen vorbeizuzwängen versuchte. Die drei brauchten ein paar Augenblicke, um wieder zu sich zu kommen. Richard nutzte die Verwirrung. Im Nu hatte er die kleine Wohnstube durchquert und die Tür hinter sich zugeschlagen. William rannte ihm hinterher und riss die Tür wieder auf – um mit ansehen zu müssen, wie die letzten Outlaws – welch eine furchtbare Demütigung! – auf den Pferden seiner Ritter davonsprengten. Und im Sattel seines eigenen Pferdes, eines prächtigen Schlachtrosses, das ihn ein Vermögen gekostet hatte, saß Richard. Das Pferd war offensichtlich bereits losgebunden und für den Dieb bereitgehalten worden. Während William die furchtbare Erkenntnis durchfuhr, dass Richard ihm bereits zum zweiten Mal sein Schlachtross stahl, trat der ungewohnte Reiter dem Tier in die Flanken. Das Ross bäumte sich auf; es mochte keine Fremden, aber Richard war recht gewandt im Sattel und ließ sich nicht abwerfen. Es gelang ihm, den Kopf des Pferdes herunterzureißen. William sah noch eine kleine Chance: Er stürmte los und versuchte, Richard mit dem Schwert zu erwischen. In diesem Moment bockte das Pferd, der Stoß verfehlte sein Ziel, und die Schwertspitze fuhr in den hölzernen Sattelrahmen. Dann galoppierte das Ross über die Dorfstraße davon – den anderen fliehenden Outlaws hinterher.
    William sah ihnen nach und wünschte sie alle zum Henker.
    Der rechtmäßige Graf, dachte er. Der rechtmäßige Graf.
    Er drehte sich um. Hinter ihm standen Walter und Gervase. Hugh und Louis waren verwundet – er wusste nicht, wie arg. Und Guillaume war tot. Sein Blut verschmierte die gesamte Vorderseite von Williams Tunika. Die Erniedrigung war total. William wagte es kaum noch, den Kopf zu heben.
    Glücklicherweise war die Dorfbevölkerung aus Furcht vor Williams Zorn geflohen. Natürlich hatten sich auch der Müller und seine Frau aus dem Staub gemacht. Die Outlaws hatten sämtliche Pferde mitgenommen und ihnen nur die beiden Ochsengespanne gelassen.
    William sah Walter an. »Hast ihn erkannt, den Letzten, wie?«
    »Ja.«
    Wenn sein Herr wütend war, beschränkte Walter sich gemeinhin auf das Nötigste.
    »Richard von Kingsbridge«, sagte William.
    Walter nickte.
    »Und sie nennen ihn den ›rechtmäßigen Grafen‹«, schloss William.
    Walter schwieg.
    Durchs Haus kehrte William in die Mühle zurück.
    Hugh hatte sich aufgesetzt und presste die linke Hand auf die rechte Schulter. Sein Gesicht war blass.
    »Wie geht’s?«, fragte William.
    »Nicht so schlimm«, antwortete Hugh. »Wer waren diese Kerle?«
    »Outlaws«, beschied ihn William knapp. Er sah sich um. Sieben oder acht Verfemte lagen tot oder verwundet auf dem Boden. Louis lag flach auf dem Rücken. Seine Augen waren weit geöffnet. Im ersten Moment hielt William ihn für tot, doch dann blinzelte Louis.
    »Louis?«
    Der Angesprochene hob den Kopf, schien aber noch nicht mitzubekommen, was um ihn herum

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