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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Wald nicht finden, weil sie über das ganze riesige Gebiet verstreut sind. Die meisten von ihnen schlafen kaum zweimal hintereinander an ein und demselben Fleck. Sie machen sich einfach irgendwo ein Feuer und schlafen auf den Bäumen. Wenn man solche Leute organisieren will, muss man sie erst einmal sammeln. Man braucht eine Art Versteck.«
    »Wir müssen also herausfinden, wo sich Richards Schlupfwinkel befindet.«
    »So ist es.«
    »Und wie wollt Ihr das anstellen?«
    »Hier beginnt Eure Aufgabe.«
    Waleran sah ihn skeptisch an.
    »Ich wette, halb Kingsbridge weiß, wo er steckt.«
    »Aber sie werden es uns nicht sagen. Die hassen uns beide doch wie die Pest.«
    »Nicht alle«, sagte William.
    Sally fand Weihnachten ganz großartig.
    Die Speisen, die es zum Weihnachtsfest gab, waren überwiegend süß: Lebkuchenfiguren; Weizenbrei mit Eiern und Honig; Birnenmost, nach dem man immer so kichern musste, wenn man ihn getrunken hatte; und Kuttelfleisch, das mehrere Stunden lang gekocht und dann in einem süßen Pastetenteig gebacken wurde. Wegen der Hungersnot gab es heute von allem weniger als sonst, doch tat dies Sallys Vorfreude keinen Abbruch.
    Sie schmückten das Haus mit Stechpalmenzweigen und hängten das Mistelsträußchen, unter dem man sich küssen musste, über die Tür. Es hieß, dass der erste Mann, der über die Schwelle trat, Glück brachte – vorausgesetzt, er hatte schwarze Haare. Sallys Vater musste am Weihnachtsmorgen im Haus bleiben, denn sein rotes Haar galt als unheilverkündend.
    Sally war auch ganz begeistert vom Krippenspiel in der Kirche. Die Mönche hatten sich als Könige aus dem Morgenland, als Engel und Schäfer verkleidet. Das Mädchen platzte schier vor Lachen, als bei der Ankunft der Heiligen Familie im Ägyptenland alle falschen Götter umpurzelten.
    Am besten aber war der kleine Bischof. Am dritten Tag des Weihnachtsfests legte der jüngste Novize des Klosters die Bischofsrobe an, und alle anderen hatten ihm zu gehorchen.
    Fast die gesamte Stadtbevölkerung hatte sich auf dem Klosterhof versammelt und wartete auf den kleinen Bischof. Nach seinem Erscheinen pflegte er die würdigen älteren Herren der Gemeinde zu Handlangerdiensten abzukommandieren: Sie mussten zum Beispiel Feuerholz sammeln und Schweineställe ausmisten. Er stolzierte recht eingebildet einher und beschimpfte alle Autoritätspersonen aufs Unflätigste. Im vergangenen Jahr hatte er den Sakristan ein Huhn rupfen lassen. Das Ergebnis war ein überwältigender Lacherfolg, denn der Sakristan hatte keine Ahnung, wie man so etwas machte. Überall flogen Federn herum.
    Schon begann der feierliche Auftritt: Auf den Schultern von zwei Mönchen reitend, erschien ein ungefähr zwölfjähriger Knabe und blickte dreist in die Runde. Er trug eine purpurne Seidenrobe und hielt einen hölzernen Krummstab in der Hand. In seinem und seiner Träger Gefolge betraten die übrigen Mönche den Klosterhof. Die Zuschauer jubelten und klatschten. Die erste Amtshandlung des kleinen Bischofs bestand darin, mit ausgestrecktem Finger auf Prior Philip zu deuten und ihn anzuherrschen. »He, Bursche! Ab mit dir in den Stall! Du striegelst den Esel!«
    Das Publikum brüllte vor Lachen. Der alte Esel war ein bekanntermaßen störrisches Tier, das sonst nie gestriegelt wurde. Prior Philip machte gute Miene zum derben Spiel und sagte: »Aber gewiss doch, hochverehrter Herr Bischof.« Dann trollte er sich, um die ihm zugewiesene Aufgabe zu erfüllen.
    »Vorwärts!«, kommandierte der kleine Bischof. Die Prozession verließ den Klosterhof, die Zuschauer liefen hinterdrein. Einige Leute versteckten sich und verschlossen ihre Türen, um nicht mit unangenehmen Aufgaben betraut zu werden – aber ihnen entging dafür auch der Spaß. Sallys Familie war vollzählig zur Stelle: Mutter und Vater, Tommy, Tante Martha und sogar Onkel Richard, der am Vorabend überraschend heimgekehrt war.
    Altem Brauch entsprechend, führte der kleine Bischof seine Herde zunächst einmal zur Schenke, wo er für sich und seine Novizenbrüder Freibier verlangte. Der Wirt, der das Bier selber braute, fügte sich gut gelaunt.
    Die Leute ließen sich auf den Bänken nieder. Neben Sally saß Bruder Remigius, ein hochgewachsener, unfreundlicher Mann, mit dem sie noch nie ein Wort gewechselt hatte. Plötzlich wandte er sich ihr zu, lächelte und sprach sie an: »Schön, dass dein Onkel Richard zu Weihnachten nach Hause gekommen ist.«
    »Er hat mir eine Miezekatze aus Holz geschenkt«,

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