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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Angriffen seiner muselmanischen Nachbarn, namentlich Ägypten im Süden und Damaskus im Osten, ausgesetzt. Allein die Reise ins Heilige Land dauerte mindestens sechs Monate. Wer all die Strapazen auf sich nahm und vor Ort mit der Waffe in der Hand das Christliche Königreich verteidigte, leistete in der Tat eine Buße, mit der die Tötung eines Menschen gesühnt werden konnte. Dennoch war Aliena nicht ohne Angst: So manch einer, der zum Zug ins Heilige Land aufgebrochen war, kehrte nicht mehr zurück. Andererseits: Jahrelang war Richard von einem Schlachtfeld zum anderen gezogen, und sie hatte in ständiger Angst um ihn gelebt. Viel gefährlicher als England konnte das Heilige Land nicht sein. Die Sorge blieb ihr in jedem Fall, und sie hatte sich daran ja auch schon gewöhnt.
    »Der König von Jerusalem braucht immer Leute«, sagte Richard. Alle paar Jahre zogen Abgesandte des Papstes durchs Land und versuchten mit großartigen Schilderungen ruhmreicher Schlachten, zur Verteidigung der Christenheit junge Männer zum Kampf im Heiligen Land zu animieren. »Aber ich bin doch erst seit so kurzer Zeit Graf«, fuhr Richard fort. »Wer würde sich denn während meiner Abwesenheit um die Güter kümmern?«
    »Aliena«, sagte Philip.
    Aliena stockte der Atem. Philips Vorschlag bedeutete nichts anderes, als dass sie die Stelle des Grafen einnehmen und wie einst ihr Vater die Grafschaft regieren sollte! Im ersten Moment war sie wie vor den Kopf geschlagen. Doch sobald sie wieder zu Sinnen kam, wusste sie: Ja, das ist die richtige Lösung! Wenn ein Adliger ins Heilige Land zog, war es durchaus üblich, dass sein Weib daheim die Geschäfte führte. Nichts sprach dagegen, dass bei einem unverheirateten Grafen dessen Schwester diese Rolle übernahm. Sie, Aliena, wollte die Grafschaft so regieren, wie sie sie schon immer regiert haben wollte – gerecht, vorausschauend und nicht ohne Fantasie. Ich werde all das tun, was Richard bisher schlimmerweise unterlassen hat. Je mehr sie darüber nachdachte, desto schneller schlug ihr Herz. Ich werde neue Methoden im Ackerbau ausprobieren – die Bauern sollen mal versuchen, mit Pferden zu pflügen statt mit Ochsen, und im Frühjahr auf brachliegenden Feldern Hafer und Erbsen säen. Ich werde Rodungen veranlassen, um neues Ackerland zu gewinnen, und neue Märkte einrichten – und selbstverständlich der Priorei wieder den Steinbruch zugänglich machen …
    Daran hatte Philip natürlich auch gedacht. Von all den raffinierten Plänen, die er sich im Laufe der Jahre hatte einfallen lassen, war dies vermutlich der genialste. Auf einen Schlag löste er drei Probleme: Er zog Richards Kopf aus der Schlinge, verschaffte der Grafschaft eine fähige Regentin – und bekam endlich wieder Zugang zum Steinbruch.
    »Ich habe nicht den geringsten Zweifel, dass König Balduin über dein Kommen hocherfreut sein wird – vor allem, wenn du auch noch ein paar von deinen Rittern mitbringst, die sich wie du zur Reise ins Heilige Land berufen fühlen. Du könntest deinen eigenen kleinen Kreuzzug führen.« Er machte eine kleine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. »William kann dir dort drüben nichts anhaben«, fuhr er fort. »Und bei deiner Rückkehr wärst du ein Held – und niemand kann es wagen, einen Helden zu hängen!«
    »Das Heilige Land«, sagte Richard, und in seinen Augen schimmerte ein verwegener Glanz. Tod oder Ehre … Das ist genau das Richtige für dich, dachte Aliena. Ein guter Graf wird nie aus dir. Du bist ein Soldat, du willst kämpfen … Sie sah den abwesenden Blick in seinen Augen und dachte: In Gedanken bist du ja schon dort und verteidigst in sengender Sonne eine Wüstenfestung gegen eine Horde anstürmender Heiden, verteidigst sie mit dem Schwert in der Hand und einem roten Kreuz auf deinem Schild …
    Richard war glücklich.
    +++
    Zur Hochzeit kam die ganze Stadt.
    Aliena war überrascht. Sie hatte angenommen, die Leute betrachteten die Trauung als reine Formsache – schließlich behandelten die meisten sie ohnehin schon mehr oder weniger als Ehepaar –, und von daher nur mit ein paar engen Freunden und Jacks Baumeisterkollegen gerechnet. Doch statt dessen war ganz Kingsbridge auf den Beinen, Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen. Aliena rührte diese Anteilnahme. Und alle Menschen strahlten und freuten sich – für sie ! Sie spürte jetzt, dass man in all den Jahren mit ihr und ihrer misslichen Lage Mitleid empfunden hatte, es sie aus Taktgefühl aber nicht

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