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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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ja dazu bereit. Wir stehen ganz kurz vor der Versöhnung. Aber Thomas gibt sich damit nicht zufrieden. Er besteht auf dem Friedenskuss.«
    »Was hindert den König daran, ihm zur Bestätigung den Friedenskuss zu geben – wenn er es denn aufrichtig meint?«
    Francis hob die Stimme. »Das steht nicht im Plan!«, sagte er gereizt.
    »Na und wenn schon!«
    Francis seufzte. »Er hätte ja im Grunde gar nichts dagegen. Das Problem ist nur folgendes: Er hat öffentlich geschworen, dass er Thomas niemals den Friedenskuss geben wird.«
    »Es haben schon viele Könige Eide gebrochen«, wandte Philip ein.
    »Schwache Könige, ja. Heinrich wird von einem öffentlich geleisteten Eid nicht abgehen. Das unterscheidet ihn eben von dem unglückseligen König Stephan.«
    »Dann wäre es vielleicht besser, wenn die Kirche ihn nicht vom Gegenteil überzeugen wollte«, gestand Philip zögernd ein.
    »Sag, warum besteht denn Thomas so hartnäckig auf diesem Kuss?«, fragte Francis, neuerlich etwas gereizt.
    »Weil er Heinrich nicht traut. Wer sagt denn, dass Heinrich sich an den Vertrag hält? Und was soll Thomas tun, wenn er’s nicht täte? Soll er wieder ins Exil gehen? Seine Gefolgsleute stehen treu zu ihm, aber sie sind inzwischen müde. Thomas kann das nicht alles noch einmal durchmachen. Bevor er nachgibt, muss er eisenharte Garantien haben.«
    Francis schüttelte traurig den Kopf. »Es ist zu einer Prestigefrage geworden«, sagte er. »Ich weiß genau, dass Heinrich nicht die Absicht hat, Thomas zu hintergehen. Aber er lässt sich nicht zwingen.«
    »Ich glaube, bei Thomas ist es genauso«, sagte Philip. »Er hat nun einmal die Forderung nach dieser symbolischen Handlung gestellt und kann nun keinen Rückzieher mehr machen.« Er schüttelte resignierend den Kopf. Das Problem schien unlösbar.
    »Das Verrückte an der Sache ist ja, dass Heinrich Thomas ohne Weiteres küssen würde – aber erst nach der Versöhnung«, sagte Francis. »Er ist bloß nicht bereit, es als Vorbedingung zu akzeptieren.«
    »Hat er das wirklich gesagt?«, fragte Philip.
    »Ja.«
    »Aber dann sieht die Sache doch schon wieder ganz anders aus!«, rief Philip aus. »Was hat er denn genau gesagt?«
    »Er sagte: ›Ich küss ihn auf den Mund, ich küss ihm die Füße, und ich hör mir seine Messe an – nach seiner Rückkehr.‹ Ich war dabei, als er es sagte.«
    »Das werde ich Thomas berichten.«
    »Meinst du denn, er ist damit einverstanden?«, fragte Francis aufgeregt.
    »Ich weiß es nicht.« Philip wagte es kaum zu hoffen. »Es ist ja eigentlich nur ein ganz kleiner Schritt zurück … Er bekommt seinen Kuss – nur eben ein wenig später, als er wollte.«
    »Für Heinrich ist es auch nur ein kleiner Schritt«, sagte Francis mit wachsender Erregung. »Er gibt den Kuss – aber freiwillig, nicht unter Zwang. Bei Gott, ja – das könnte klappen!«
    »Die Versöhnung könnte in Canterbury stattfinden. Die Bedingungen des Vertrages sollten vorher bekannt gegeben werden, sodass keine Seite im letzten Augenblick noch Änderungen verlangen kann. Thomas kann die Messe lesen, und Heinrich kann ihm dann, gleich dort in der Kathedrale, den Kuss geben.« Und dann, fügte Philip in Gedanken hinzu, kann Thomas Walerans böse Pläne durchkreuzen.
    »Ich werde es dem König vorschlagen«, sagte Francis.
    »Und ich schlage es dem Erzbischof vor.«
    Die Klosterglocke läutete. Die beiden Brüder standen auf.
    »Versuch, ihn zu überzeugen«, sagte Philip. »Wenn es klappt, kann Thomas nach Canterbury zurückkehren – und Waleran Bigod ist ein für alle Mal erledigt.«
    Sie trafen sich auf einer schönen Wiese am Ufer eines Flusses, der die Grenze zwischen der Normandie und dem Königreich Frankreich bildete, unweit der Städtchen Fréteval und Vievy-le-Raye. Als Thomas in Begleitung von Erzbischof William von Sens eintraf, warteten König Heinrich und seine Entourage bereits auf ihn. Philip, der zu Thomas’ Delegation gehörte, erblickte seinen Bruder Francis auf der anderen Seite der Wiese neben König Heinrich.
    Heinrich und Thomas hatten sich geeinigt – in der Theorie.
    Beide hatten den Kompromissvorschlag akzeptiert: Der Friedenskuss sollte nach Beckets Rückkehr anlässlich einer Versöhnungsmesse stattfinden. Als besiegelt konnte die Übereinkunft allerdings erst gelten, wenn die beiden miteinander gesprochen hatten.
    Thomas gebot seinen Leuten stehen zu bleiben und ritt allein ins Zentrum der Wiese. Heinrich tat das Gleiche. Die Begleiter sahen mit

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