Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
seine Vergeltung fürchteten, waren nun mit Eifer dabei, ihn beim König zu verleumden.
Waleran hatte also guten Grund, sich über die Wut des Königs zu freuen, aber er hatte auch hoch gereizt. Denn niemand hatte seit der Rückkehr des Erzbischofs so viel Anlass zur Sorge wie er. Thomas hatte sich geweigert, Walerans Nominierung zum Bischof von Lincoln zu unterstützen, gleichzeitig aber Prior Philip zum neuen Bischof von Kingsbridge vorgeschlagen. Wenn er sich damit durchsetzte, hätte Waleran Kingsbridge verloren und Lincoln nicht gewonnen. Er wäre ruiniert.
Auch Williams Stellung war gefährdet. Mit Aliena als de-facto- Gräfin, Philip als Bischof und Jonathan als Prior hätte er in der Grafschaft keinen Verbündeten mehr. Aus diesem Grund hatte er sich Waleran angeschlossen und mit ihm am Königshof gegen den ohnehin auf wackligen Füßen stehenden Friedensvertrag zwischen Heinrich und Thomas intrigiert.
Die gebratenen Schwäne, Gänse, Pfauen und Enten auf dem Tisch waren nahezu unangetastet. Um seinen galligen Magen zu beruhigen, mümmelte William, der gemeinhin herzhaft aß und viel trank, an einem Stück Trockenbrot und nippte am Posset, einem mit Bier, Eiern und Muskat gewürzten Molkentrank.
Der unmittelbare Anlass für Heinrichs Zorn war die Nachricht, dass Thomas eine Delegation zu Papst Alexander nach Tours geschickt hatte, die über angebliche Verstöße des Königs gegen den Friedensvertrag Beschwerde führen sollte. Einer der älteren Berater des Königs, Enjuger de Bohun, sagte: »Wahren Frieden wird es erst geben, wenn Ihr Thomas habt exekutieren lassen.«
William war entsetzt.
Heinrich, der inzwischen wieder Platz genommen hatte, brüllte: »Jawohl, so ist es!«
Für William war klar, dass Heinrich die Bemerkung eher als Ausdruck des Pessimismus denn als ernsthaften Vorschlag aufgefasst hatte. Enjuger dagegen hatte nach Williams Dafürhalten den Satz nicht einfach so dahergesagt.
»Als ich auf dem Rückweg von Jerusalem durch Rom kam«, warf William Malvoisin gelangweilt ein, »hörte ich, dass man dort sogar schon einen Papst wegen unerträglicher Anmaßung exekutiert hat. Verflucht, dass mir sein Name gerade nicht einfallen will …«
»Es scheint, dass im Fall Thomas Beckets gar keine andere Lösung möglich ist«, bemerkte der Erzbischof von York. »Solange er am Leben ist, wird er zu Hause wie in der Fremde Aufruhr schüren.«
Nach Williams Eindruck waren die drei Bemerkungen sorgsam aufeinander abgestimmt. Als Nächster meldete sich Waleran zu Wort: »An Thomas’ Anstandsgefühl zu appellieren ist gewiss zwecklos …«, begann er.
»Ruhe!«, brüllte der König. »Schweigt stille, ihr hundsföttisches Pack! Ununterbrochen jammert und klagt ihr – wann endlich kriegt ihr eure Ärsche hoch und tut etwas?« Er trank einen Schluck Bier. »Das Bier schmeckt wie Pisse!«, röhrte er außer sich, schob seinen Stuhl zurück und stürmte – während alle Anwesenden sich hastig erhoben – zur Tür hinaus.
In das betroffene Schweigen hinein sagte Waleran: »Deutlicher könnte die Botschaft wohl kaum sein, meine Herren. Wir müssen endlich etwas gegen Thomas unternehmen.«
William Mandeville, Graf von Essex, sagte: »Ich glaube, wir sollten eine Delegation zu Thomas schicken und ihn zur Vernunft bringen.«
»Und was wollt Ihr tun, wenn er sich nicht zur Vernunft bringen lässt?«, fragte Waleran.
»Dann sollten wir ihn im Namen des Königs festnehmen.«
Mehrere Herren begannen nun gleichzeitig zu reden, und die Versammlung löste sich in kleine Gruppen auf. Die Gefolgsleute des Grafen von Essex beratschlagten über die Entsendung der Delegation. Waleran unterhielt sich mit zwei oder drei jungen Rittern. Dann sah er sich nach William um und winkte ihn zu sich.
»William Mandevilles Delegation bringt uns nichts. Thomas erledigt sie mit links.«
Reginald Fitzurse sah William entschlossen an und sagte: »Einige von uns meinen, die Zeit sei reif für härtere Maßnahmen.«
»Was soll das heißen?«
»Ihr habt gehört, was Enjuger gesagt hat.«
»Exekutieren!«, rief Richard le Bret, ein junger Mann von vielleicht achtzehn Jahren.
William wurde kalt ums Herz. Sie meinten es also ernst. Er starrte Waleran an. »Werdet Ihr den König um seinen Segen bitten?«
»Unmöglich«, sagte Reginald. »So etwas kann er nicht im Voraus sanktionieren.« Er grinste böse. »Aber er kann seine treuen Diener danach belohnen.«
»Nun, William – macht Ihr mit?«, fragte der junge
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