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Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth

Titel: Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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sagte er daher zu ihnen, »mistet den Stellplatz aus, und streut frisches Stroh. Danach säubert auch den Rest des Stalls. Dauerfeuchtes Stroh führt zu Huffäule. Ihr seid nicht so überarbeitet, dass ihr nicht ab und zu den Stall ausmisten könntet!« Griesgrämig und verstockt sahen die beiden ihn an, sodass Philip drohend hinzufügte: »Tut, was ich euch sage, sonst sorge ich dafür, dass euch wegen Faulheit ein ganzer Tageslohn gestrichen wird.« Er wandte sich zum Gehen, doch dann fiel ihm noch etwas ein: »In meiner Satteltasche findet sich ein Käse. Bringt ihn in die Küche zu Bruder Milius.«
    Er ging, ohne eine Antwort abzuwarten. Sechzig Hilfskräfte waren in der Priorei angestellt und bedienten fünfundvierzig Mönche – ein schandbares Missverhältnis in Philips Augen. Unterbeschäftigtes Personal neigte dazu, aus lauter Trägheit die wenigen ihm verbliebenen Pflichten auch noch zu vernachlässigen; die beiden Stallburschen bewiesen es einmal mehr.
    Philip ging an der Westmauer entlang, bis er das Gästehaus erreichte. Er fragte sich, ob außer ihm noch andere Besucher im Kloster weilten. Der große Innenraum des Hauses war jedoch kalt und unbelebt; auf der Schwelle staute sich vom Wind zusammengetriebenes Laub aus dem vergangenen Herbst. Er wandte sich nach links und überquerte den großen, mit spärlichem Gras bewachsenen Platz, der das Gästehaus – wo mitunter wenig frommes Gelichter oder gar Frauen übernachteten – von der Kirche trennte. Der Haupteingang befand sich auf der Westseite. Die Trümmer des eingestürzten Turms lagen immer noch dort, wo sie hingefallen waren, und bildeten einen großen, doppelmannshohen Haufen.
    Wie die meisten Kirchen hatte auch die Kathedrale von Kingsbridge einen kreuzförmigen Grundriss. Der Westteil öffnete sich zu einem Schiff, das dem senkrechten Kreuzbalken entsprach. Der waagerechte Balken zweigte in Höhe des Altars ab und bestand aus dem nördlichen und dem südlichen Arm des Querschiffs. Der Chor jenseits der Querschiffe war im Wesentlichen den Mönchen vorbehalten. Am äußersten Ende lag das Grabmal des heiligen Adolphus, das gelegentlich noch Ziel von Pilgerfahrten war.
    Philip betrat das Mittelschiff. Zur Rechten und zur Linken lagen die düsteren Alleen der Rundbögen und mächtigen Säulen. Ihr Anblick war nicht dazu angetan, seine Stimmung zu heben, im Gegenteil. Der Zustand des Gebäudes hatte sich seit seinem letzten Besuch noch verschlechtert. Die Fenster in den niedrigen Seitenschiffen wirkten in den ungeheuer dicken Mauern wie schmale Tunnelröhren. Hoch oben im Dach fiel durch die größeren Fenster des Obergadens genug Licht auf die Deckengemälde, um zu zeigen, wie stark sie bereits verblasst waren. Die Apostel- und Heiligengestalten waren nur mehr trübe Schatten, die sich stellenweise kaum noch vom Hintergrund abhoben. Trotz des kalten Winds, der durch die scheibenlosen Fensterhöhlen fegte, hing ein leicht modriger Geruch wie nach verrottenden Kleidern in der Luft. Vom anderen Ende her, wo gerade ein Hochamt gehalten wurde, drang der feierliche Sprechgesang der lateinischen Liturgie herüber. Philip durchmaß das Mittelschiff. Der Boden war nie gepflastert worden; in Ecken und Winkeln, die von den Holzschuhen der Bauern und den Sandalen der Mönche nur selten betreten wurden, wuchs Moos auf dem nackten Erdboden. Die gemeißelten Spiralen und Kannelierungen der massiven Säulen sowie die Zackenfriese, die die verbindenden Bögen schmückten, waren einstmals bemalt und vergoldet gewesen. Geblieben waren lediglich hier und da einige Reste papierdünnen Blattgolds, und ein unregelmäßiges Fleckenmuster deutete an, wo einst Farbe gewesen war. Der Mörtel zwischen den Steinen war bröckelig, fiel heraus und stapelte sich am Fuß der Mauern zu kleinen Häufchen. Philip spürte, wie der nun schon vertraute Zorn von Neuem in ihm hochstieg. Die Besucher dieser Kirche sollten eigentlich Ehrfurcht empfinden vor der Majestät des Allmächtigen. Aber die Bauern waren einfache Leute, die die Dinge nach dem Augenschein beurteilten. Beim Anblick dieser Kirche hielten sie den Herrn wahrscheinlich für eine nachlässige, gleichgültige Gottheit, die nicht imstande war, ihre Sünden zu erkennen und die Verehrung, die sie ihm entgegenbrachten, zu würdigen. Und gerade sie, die Bauern, waren es doch, die mit ihrer Arbeit und ihrem Schweiß die Kirche trugen! Es war eine Schande, es ihnen mit diesem zerfallenen Mausoleum zu lohnen!
    Philip kniete vor

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