Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
oder Remigius …«
»Remigius’ Fähigkeiten …«
»Seine Fähigkeiten sind mir ebenso gut bekannt wie die Euren«, unterbrach ihn Waleran mit erhobener weißer Hand. »Und ich weiß auch, wer von euch beiden der bessere Prior wäre. Aber darum allein geht es nicht.«
Was soll das nun schon wieder, fragte sich Philip. Darf es überhaupt noch um etwas anderes gehen? Er blickte in die Runde. Milius war nicht minder verblüfft als er, doch der alte Cuthbert lächelte, als wisse er genau, worum es ging.
»Mir ist wie Euch daran gelegen, dass wichtige kirchliche Ämter nicht generell an ältere Würdenträger vergeben werden, deren Heiligmäßigkeit größer sein mag als ihre administrativen Fähigkeiten … Es gilt vielmehr, kraftvolle und fähige Persönlichkeiten zu fördern, auch wenn sie an Jahren noch recht jung sein mögen.«
»Natürlich«, bestätigte Philip ungeduldig, ohne die tiefere Bedeutung von Walerans Rede zu begreifen.
»Wir vier, die wir hier versammelt sind, sollten zu diesem Behufe zusammenarbeiten«, fuhr Waleran fort.
»Ich weiß nicht, worauf Ihr hinauswollt«, sagte Milius.
»Ich schon«, bemerkte Cuthbert.
Waleran bedachte Cuthbert mit einem dünnen Lächeln und wandte sich wieder an Philip. »Lasst mich offen zu Euch sprechen«, sagte er. »Der Bischof selbst ist schon recht alt. Eines Tages wird er sterben, und dann wird sich die Frage nach einem Nachfolger stellen, genauso wie jetzt im Amt des Priors. Die Wahl des Bischofs vollziehen die Mönche von Kingsbridge, denn der Bischof von Kingsbridge ist gleichzeitig ihr Abt.«
Philip runzelte die Stirn. Was sollte das alles nur? Es ging um die Wahl des Priors, um sonst nichts.
Doch Waleran fuhr fort: »Natürlich sind die Mönche in ihrer Wahlentscheidung nicht vollkommen frei, denn auch der Erzbischof und der König haben ihre Vorstellungen von der Besetzung des Bischofsstuhls. In letzter Instanz müssen jedoch die Mönche mit ihrer Stimme die Ernennung legitimieren. Ihr drei werdet, wenn die Zeit gekommen ist, großen Einfluss auf die Entscheidung haben.«
Cuthbert nickte; seine Vermutungen schienen sich bestätigt zu haben. Jetzt dämmerte auch Philip, worauf der Erzdiakon hinauswollte.
Waleran kam zum Ende: »Ihr wollt, dass ich Euch zum Prior von Kingsbridge mache. Ich will, dass Ihr mich zum Bischof macht.«
Das also steckte dahinter!
Unfähig, ein Wort zu sagen, starrte Philip Waleran an. Es war alles ganz einfach. Der Erzdiakon schlug ihnen einen Kuhhandel vor. Das war zwar nicht unbedingt dasselbe wie die Sünde der Simonie, also der Kauf und Verkauf kirchlicher Ämter, hatte aber dennoch einen unangenehm geschäftlichen Beigeschmack. Er bemühte sich um eine nüchterne Betrachtung des Angebots. Seine Wahl zum Prior wäre damit gesichert. Mit klopfendem Herzen gestand sich Philip ein, dass ihm unter diesen Voraussetzungen nicht der Sinn danach stand, spitzfindige Bedenken zu formulieren.
Waleran, auch dies stand fest, würde zu einem späteren Zeitpunkt Bischof werden. Ob er ein guter Bischof sein würde? An Kompetenz mangelte es ihm gewiss nicht, und so, wie es schien, war er auch frei von ernsten Lastern. Er hatte eine eher weltliche, praktische Einstellung, was den Dienst am Herrn betraf, aber das konnte Philip auch von sich selbst sagen.
Sicher, da war eine gewisse Rücksichtslosigkeit im Auftreten des Erzdiakons, die Philip fremd war, doch beruhte sie allem Anschein nach auf der festen Entschlossenheit, die Interessen der Kirche zu wahren und zu fördern.
Wer sonst kam als Nachfolger des Bischofs in Frage? Wahrscheinlich Osbert. Dass kirchliche Ämter vom Vater auf den Sohn vererbt wurden, war trotz der offiziellen Forderung nach Einhaltung des Zölibats keineswegs unüblich. Osbert als Bischof wäre indessen eine noch größere Belastung für die Kirche als ein Prior Osbert, dachte Philip. Allein, um seine Wahl zu verhindern, wären wir möglicherweise sogar gezwungen, einen erheblich schwächeren Kandidaten als Waleran zu unterstützen.
Und sonst? Es war unmöglich vorauszusagen, wie sich die Lage nach dem Ableben des Bischofs darbieten würde. Auf jeden Fall konnten noch Jahre ins Land gehen, bis es so weit war.
»Wir können Euch nicht garantieren, dass Ihr gewählt werdet«, sagte Cuthbert zu Waleran.
»Das weiß ich wohl«, erwiderte der Erzdiakon. »Ich bitte Euch auch lediglich um die Nominierung – was, streng genommen, genau meinem Angebot an Euch entspricht.«
Cuthbert nickte. »Ich bin
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