Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
einverstanden«, sagte er feierlich.
»Ich auch«, pflichtete Milius ihm bei.
Der Erzdiakon und die beiden Mönche sahen Philip an, der sichtlich hin und her gerissen war. Das war alles andere als eine ordnungsgemäße Bischofswahl, er machte sich da nichts vor. Andererseits: Das erhoffte Amt lag greifbar nahe. Es war gewiss nicht recht, dass kirchliche Ämter gehandelt wurden wie Pferde auf dem Rossmarkt – doch wenn er jetzt nein sagte, stand zu erwarten, dass Remigius Prior und Osbert Bischof würde!
Indes, was galten in dieser Stunde schon vernünftige Argumente! Philip war von dem brennenden Wunsch erfüllt, Prior von Kingsbridge zu werden, und dieser Wunsch war eine unwiderstehliche Kraft, egal, was im Einzelnen dafür oder dagegen sprach. Er erinnerte sich an sein Gebet vom Vortag: Ich habe Gott versprochen, um dieses Amt zu kämpfen. Nun hob er die Augen und schickte ein Stoßgebet zum Himmel: Wenn Du es nicht geschehen lassen willst, dann lähme meinen Mund und meine Zunge, lasse meinen Atem stocken und mach, dass ich nicht mehr sprechen kann.
Dann sah er Waleran in die Augen und sagte: »Ich bin einverstanden.«
Das Bett des Priors war riesig – mindestens dreimal so breit wie das größte Bett, in dem Philip je zuvor geschlafen hatte. Der hölzerne Bettkasten war halb so hoch wie ein Mann, und darüber lag noch eine Federmatratze. Um zu verhindern, dass der Schläfer des Nachts Zug bekam, war es rundum mit Vorhängen umgeben, die von der geduldigen Hand einer frommen Frau mit biblischen Motiven bestickt worden waren.
Philip betrachtete das Bett nicht ohne Vorbehalte. Dass ihm als Prior ein eigenes Schlafzimmer zustand, empfand er bereits als genug der Ehre. Er hatte nie zuvor ein eigenes Schlafzimmer gehabt und folglich noch kein einziges Mal in seinem Leben alleine geschlafen. Das Bett war schlichtweg zu üppig … Er überlegte, ob er sich eine Strohmatratze aus dem Dormitorium bringen und das Bett ins Infirmarium schaffen lassen sollte, wo es die Leiden eines siechen alten Mönchs lindern helfen mochte. Aber das Bett war ja nicht nur für ihn selbst da: Wenn hoher Besuch angesagt war – ein Bischof, ein Lord oder sogar ein König –, suchte sich der Prior irgendwo anders eine Lagerstatt und überließ sein Schlafzimmer dem Gast. Man konnte das Bett also nicht so ohne Weiteres entfernen.
»Ihr werdet heute Nacht gewiss gut schlafen«, sagte Waleran Bigod nicht ohne einen neidvollen Unterton.
»Ja, das sollte ich eigentlich«, antwortete Philip, doch es klang nicht sehr überzeugt.
Alles war ganz schnell gegangen. Noch in der Küche hatte Waleran einen Brief an die Priorei verfasst, in dem er die Mönche aufforderte, sofort zur Wahl zu schreiten, und Philip für das Amt des Priors nominierte. Er hatte den Brief mit dem Namen des Bischofs gezeichnet und mit dem bischöflichen Siegel versehen.
Sie hatten sich dann gemeinsam zum Kapitelsaal begeben, wo Remigius sofort bei ihrem Eintritt erkannte, dass die Schlacht für ihn verloren war. Waleran trug den Brief vor. Als er Philip für das Amt des Priors vorschlug, applaudierten die Mönche. Remigius war klug genug, auf eine formelle Abstimmung zu verzichten, und gestand seine Niederlage ein.
Philip war Prior.
Er hatte sofort den Vorsitz über die Kapitelversammlung übernommen und sie wie in Trance zu Ende geführt. Dann war er über die Wiese zum Haus des Priors gegangen, das in der Südostecke des Klostergeländes stand, und hatte dort offiziell Wohnung genommen.
Erst beim Anblick des Bettes wurde ihm klar, dass sein Leben eine tiefgreifende, unumkehrbare Wandlung erfahren hatte. Er war jetzt etwas Besonderes, erhaben über die anderen Mönche. Er verfügte über Macht und Privilegien. Und er trug Verantwortung. Ihm allein oblag die Sorge über das Wohl und Wehe jener kleinen Gemeinschaft von fünfundvierzig Männern: Litten sie Hunger, so war es seine Schuld; verlotterten sie an Leib und Seele, traf ihn der gerechte Tadel; machten sie der Kirche des Herrn Schande, so würde der Herr ihn, Philip, zur Rechenschaft ziehen. Du hast dich nach dieser Last gedrängt, erinnerte er sich – nun musst du sie auch tragen.
Seine erste Pflicht bestand darin, die Mönche zum Hochamt in die Kirche zu führen. Es war Dreikönigstag, der zwölfte Tag nach Weihnachten, ein Feiertag. Alle Dorfbewohner und zahlreiche Menschen aus der näheren und weiteren Umgebung würden den Gottesdienst besuchen. Eine gute Kathedrale mit einer ansehnlichen
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