Die Säulen der Erde - The Pillars of the Earth
Mönchsgemeinschaft und einem Ruf für besonders feierliche Messen konnte tausend Menschen und mehr anziehen. Selbst die trostlose Kirche in Kingsbridge zog noch einen Großteil des lokalen Adels an, war doch der Gottesdienst gleichzeitig ein gesellschaftliches Ereignis, bei dem man Nachbarn, Freunde und Geschäftspartner traf.
Philip indessen hatte vor der Messe, nun da sie endlich allein waren, noch etwas mit Waleran zu besprechen. »Erinnert Ihr Euch an die Nachricht, die ich Euch kürzlich überbrachte?«, begann er. »Ihr wisst, die Sache mit dem Grafen von Shiring …«
Waleran nickte. »Und ob ich mich erinnere! Ja, diese Angelegenheit mag in der Tat von größerer Bedeutung sein als die Frage, wer Prior und wer Bischof wird. Graf Bartholomäus ist bereits in England eingetroffen. Man erwartet ihn morgen in Shiring.«
»Was habt Ihr vor?«, fragte Philip besorgt.
»Ich möchte mich Sir Percy Hamleighs bedienen«, erwiderte Waleran. »Ich hoffe, dass er heute zur Messe kommen wird.«
»Ich habe von ihm gehört, kenne ihn jedoch nicht persönlich«, sagte Philip.
»Haltet Ausschau nach einem dicken Lord mit einem scheußlichen Weib und einem hübschen Sohn. Die Frau ist unübersehbar in ihrer Hässlichkeit.«
»Was veranlasst Euch zu dem Glauben, dass sich die beiden auf König Stephans Seite schlagen könnten?«
»Sie hassen den Grafen leidenschaftlich.«
»Warum?«
»Ihr Sohn, William, war mit der Tochter des Grafen verlobt. Sie wandte sich jedoch von ihm ab, und die Hochzeit wurde abgesagt. Für die Hamleighs war dies eine schwere Demütigung. Sie leiden noch heute darunter und warten nur darauf, sich an Graf Bartholomäus rächen zu können.«
Philip nickte befriedigt. Er war froh, wenigstens dieses Problem vom Hals zu haben; es gab, weiß Gott, allein in Kingsbridge genügend andere. Sollte sich Waleran um die Welt außerhalb der Klostermauern kümmern.
Sie verließen das Haus des Priors und begaben sich zum Kreuzgang, wo die Mönche bereits warteten. Philip übernahm die Spitze, und die kleine Prozession setzte sich in Bewegung.
Philip genoss den Einzug in die Kirche mit den singenden Mönchen in seinem Gefolge … ja, er gestand sich ein, dass seine Freude daran größer war, als er zuvor geahnt hatte. Er suchte nach einer Erklärung für dieses überschwängliche Glücksgefühl. Es muss daran liegen, sagte er sich, dass meine neue, hervorgehobene Stellung die Macht, Gutes zu tun, symbolisiert. Ich wünschte, Abt Peter von Gwynedd könnte mich jetzt sehen … Wie stolz er wäre, der alte Mann!
Er führte die Mönche zu ihren Bänken im Chor. An bedeutenden Feiertagen wie diesem wurde die Messe oft vom Bischof persönlich gehalten. Heute hielt sie der Stellvertreter des Bischofs, Erzdiakon Waleran. Als Waleran begann, ließ Philip seinen Blick über die Gemeinde der Gläubigen schweifen und versuchte, die Familie Hamleigh ausfindig zu machen. Ungefähr hundertfünfzig Menschen standen im Schiff. Die Reichen unter ihnen waren an ihren schweren Wintermänteln und Lederschuhen zu erkennen, die Bauern trugen Filzstiefel oder Holzschuhe und grobe Jacken. Es war nicht schwer, die Hamleighs zu finden. Sie standen ziemlich weit vorn in der Nähe des Altars. Waleran hatte nicht übertrieben. Die Frau war von geradezu abstoßender Hässlichkeit. Obwohl sie eine Haube trug, war ihr Gesicht zum größten Teil frei. Philip konnte sehen, dass es mit großen Geschwüren übersät war, an denen sie fortwährend herumfingerte. Neben ihr stand ein gewichtiger Herr von ungefähr vierzig Jahren; das musste Percy sein. Seine Kleider verrieten, dass er ein Mann von beträchtlichem Wohlstand und Einfluss war, aber nicht zur allerersten Garnitur der Grafen und Barone zählte. Der Sohn lehnte an einer der gewaltigen Säulen, die das Kirchenschiff trugen – ein gut gewachsener junger Mann mit hellblondem Haar, engstehenden Augen und hochmütigem Blick. Die Einheirat in eine Grafenfamilie hätte den Hamleighs eine Brücke über jene Kluft geschlagen, die die kleinen Landedelleute vom Hochadel des Königreichs trennte. Kein Wunder, dass sie sich über die geplatzte Hochzeit ärgerten.
Philip konzentrierte sich wieder auf den Gottesdienst. Für seinen Geschmack zelebrierte Waleran die Messe ein wenig zu hastig. Einmal mehr fragte sich Philip, ob er recht daran getan hatte, sich auf die Nominierung Walerans zum Nachfolger des Bischofs einzulassen. An seiner Strebsamkeit bestand kein Zweifel – nur schien der
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