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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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vertrautester Begleiter geworden war?
    Eine Saite fehlte, aber es fiel Tahan nicht schwer, die übrigen zu stimmen. Er hätte auch auf einer einzigen Saite gespielt, wenn nötig. Bei den ersten Klängen war alles wieder da– unbeschwerte Sommertage, Stunden, die träge vorüberzogen, Frühlingsnächte, Gelächter im Kreis von Freunden, Banoa, Mädchen, die vorsichtig näherrückten, ein kokettes Lächeln auf den bemalten Lippen. Irgendwo hinter ihm saß der Krüppel und versuchte zu singen, und der seltsame Schmerz, den der Gedanke an den angeblichen Bastardbruder ihm bereitete, stahl sich in seine Finger und seine Stimme, und flocht einen bitteren Faden in das lichte Muster des Lieds.
    Dies war seine Bestimmung. Er wusste es, er hatte es immer gewusst. Nicht der Kampf, nicht das Abschlachten schreiender Männer, der Gestank von Blut und Exkrementen auf verwüsteten Schlachtfeldern, sondern das hier– eine Magie, die keine Wunden schlug, sondern heilte, die weder Glastiere zerschmetterte noch Erdhügel aufbrach und doch mächtiger war als jede andere.
    Er hielt erst inne, als er Noans Hand auf seiner Schulter spürte.
    Â» Hör auf, Tahan. « Es war ein Befehl.
    Niemand bemerkte das ungebührliche Betragen des angeblichen Sklaven. Wie betäubt standen die Menschen da– Frauen mit Körben voller Zwiebeln oder Wurzeln am Arm, schwer beladene Sklaven mit hoffnungslosen Augen, ein paar Wächter, die wie erstarrt dreinblickten. Einen Moment lag waren sie wie verwandelt, als wären sie gerade eben aus einem schönen Traum erwacht und könnten noch nicht recht fassen, dass es Zeit zum Aufstehen war.
    Tahan legte die Simbarine auf den Ladentisch zurück und folgte Noan zu ihrer armseligen Dachstube.
    An diesem Abend hatten sie zum ersten Mal seit langem wieder einen echten Streit, und Noan verhedderte sich in den Fallstricken von Macht und Verantwortung, von » Das ist mein letztes Wort « bis zu » Euer Leben ist kostbar, Prinz Tahan « .
    Â» Es ist der Kummer um das Mädchen, der Euch so unleidlich macht, Herr « , sagte Tahan.
    Â» Das hat mit Jalimey überhaupt nichts zu tun! «
    Â» Oh doch, das hat es. Sie ist weg, Ihr macht Euch Sorgen, und nun fürchtet Ihr, ich könnte in diesem schwarzen Schloss verschwinden und ebenfalls nicht mehr wiederkommen. «
    Â» Wir werden einen anderen Weg finden, den Brief zu überbringen. «
    Â» Ihr träumt von ihr. «
    Â» Das tue ich nicht! « , rief Noan. » Meine Träume sind dunkel wie Hamyjanes Palast und ebenso unverständlich. Als ich bei den Mönchen war, gaben sie mir ein Stück Holz. Ich hatte keine Ahnung, was ich damit sollte. Also hielt ich es fest und wartete. Vielleicht konnte ich es als Waffe verwenden, als Knüppel– obwohl mir durchaus klar war, dass ich ihnen ausgeliefert war dort unten in ihrem Höhlenlabyrinth, wollte ich mein Leben so teuer wie möglich verkaufen. Doch niemand griff mich an. Sie ließen mich schlafen, und als ich am nächsten Morgen erwachte, hatte das tote Holz ausgetrieben. Ein grünes Blatt wuchs daran. «
    Â» Wie schön « , sagte Tahan ironisch, obwohl es ihm kalt den Rücken hinunterlief.
    Â» Das war nicht schön. Es war unheimlich. Und ebenso unheimlich sind meine Träume. Als würden überall Dinge vor sich gehen, von denen ich nichts merke, hinter meinem Rücken oder im Dunkeln, und wenn ich mich umdrehe, ist dort etwas, das vorher nicht da war. Als könnte mich auch dann ein seltsamer Traum überfallen, wenn ich wach bin. Als würde etwas zu mir sprechen, etwas oder jemand, der in meinem Kopf nichts zu suchen hat. « Er rieb sich die Schläfen, das Gesicht verzerrt vor Furcht und Entsetzen.
    Â» Was genau « , fragte Tahan, der nicht die Absicht hatte, Noan seine eigenen Erfahrungen kundzutun, » wollt Ihr mir damit sagen? «
    Â» Die Mönche haben etwas mit mir gemacht « , flüsterte Noan. » Sie haben mich irgendetwas Finsterem geweiht. Vielleicht werde ich sterben, Tahan. Was ich damit sagen will? Dass es keine Rolle spielt, wenn ich mich in das schwarze Schloss schmuggle und dabei zu Schaden komme. Ich werde wahrscheinlich nicht nach Terajalas zurückkehren können, so oder so. Die Mönche haben mir ihr Zeichen eingeritzt, deshalb wird mein Leben nie wieder sein wie vorher. Doch selbst wenn ich heimkehren könnte– wie, ohne dich?

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