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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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anderer erwarb eine Flöte, ein dritter betastete behutsam die seltsamen Röhren, mit denen man die Eselschreie hervorbringen konnte.
    Â» Nun denn « , musste der Händler zugeben, » wie es scheint, hast du dir dein Brot heute verdient. «
    Während Tahan auf ein Lebenszeichen von Noan wartete, vergingen die Tage wie im Traum. Nachts fror er unter dem undichten Dach, tagsüber fielen ihm beinahe die Zehen ab, während er in dem offenen Laden saß und spielte. Es schien sich herumzusprechen, dass ein besonderer Musikant dort auftrat, der mehr vermochte, als Tierstimmen zu imitieren. Eines Tages blickte er von seinem Spiel auf und sah in ein hageres Gesicht mit spitzem Kinn. Die Schwalbenflügel seines Rocks schleiften im Schnee, als der Schlossdiener auf ihn zutrat.
    Tahan fühlte sich einer raschen Musterung unterzogen. Lange, offene Haare– ein freier Mann, womöglich ein Adliger. Blond– offenbar ein Ausländer. Die Kleidung abgetragen und schäbig– verarmt.
    Â» Wir werden Euch ausstatten und neu einkleiden « , sagte der Helstener mit seltsam schnarrender Stimme. » Vorzeigbar seid Ihr im Moment kaum, Herr…? «
    Â» Äh… Tan. Aus Ganashk. «
    Â» Also gut, Herr Tan aus Ganashk. Unsere verehrte Herrscherin, Prinzessin Hamyjane, hat von Euren außergewöhnlichen Spielkünsten gehört und lädt Euch zu einer Darbietung ins schwarze Schloss. «
    Tahans Herz schlug schneller. » Ich nehme an, mein Auftritt wird angemessen belohnt? «
    Â» Das hängt von der Zufriedenheit Ihrer Majestät ab « , beschied ihm der Schlossdiener schroff.
    Â» Einen Moment noch! « , schaltete sich der Händler ein, als Tahan sich anschickte, dem Schwalbenflügler zu folgen. » Die Simbarine gehört mir. «
    Der Diener warf ein klimperndes Säckchen auf den Tresen. » Der Prinzessin gehört, was immer die Prinzessin zu besitzen wünscht. Kommt, Herr Tan. «
    Wenig später schwangen die schwarzen Torflügel auf, und über ihm ragten die grotesken Türme in den wolkenschweren Himmel. Ein Wächter trat auf ihn zu und forderte ihn auf, das Schwert abzulegen.

20
    I n Ghi Naral saß der Tyrann Ilan Dor Hojan auf seinem Thron, die kuppelgekrönte Halle vor sich wie eine Bühne, auf der das Schauspiel der Bittsteller, der Berater, der Unterhaltung stattfand. Etwas Ähnliches hatte Tahan auch hier erwartet, doch er hätte damit rechnen müssen, dass Mai-Senn nicht mit Ghi Naral zu vergleichen war. Es gab keinen großen Saal, in dem die Prinzessin mit ihren Fürsten saß und Gesang oder Ratschlägen lauschte. Stattdessen wurde Tahan durch dunkle, verwinkelte Flure geführt. Die Wände waren nicht mit Knüpfteppichen verziert, die Schlachtszenen oder bedeutsame Bündnisse zeigten, auch nicht mit den Porträts der Ahnen. Während im Palast von Ghi Naral selbst das Mosaik des Fußbodens Szenen der terjalischen Geschichte zeigte, von der Ankunft der Wiramer in Terajalas und ihren glorreichen Schlachten bis hin zur Herrschaft der Wiramer Könige, war hier alles in erdrückendem Schwarz gehalten. Schwarzer Samt, schwarzer, von goldenen Fäden oder Maserungen durchzogener Marmor. Vergoldete Leuchter spendeten Licht, das die Dunkelheit jedoch sofort verschluckte.
    Diener nahmen sich Tahans an, kleideten ihn in ein üppig besticktes Gewand, dessen Farbe keine große Überraschung darstellte, brachten ihm zu essen, eine Sklavin bürstete ihm das Haar. Schließlich führte man ihn in einen mit schwarzen Stoffen verhangenen Raum und wies ihn an, auf einem Teppich Platz zu nehmen. Ein Diener brachte ihm die Simbarine, die ein kundiger Handwerker repariert hatte, denn auf einmal besaß sie wieder die nötige Anzahl von Wirbeln und Saiten. Dann gab man ihm ein Zeichen, er solle beginnen.
    Tahan zögerte. Alle zogen sich zurück, von einer Prinzessin war weit und breit nichts zu sehen, aber hinter einem dunklen Paravent raschelte etwas, und er meinte ein Flüstern zu hören. Einen Moment lang bedauerte er, dass der Raum so klein, die Decke so niedrig war. Allen Widrigkeiten zum Trotz würde er sein Bestes geben– um die Erwartungen nicht zu erfüllen.
    Zuerst stimmte Tahan ausgiebig die neue Saite, wärmte sich mit Fingerübungen auf, klimperte herum, begann eine kleine Melodie zu spielen, nur um sie gleich darauf abzubrechen und das Instrument erneut zu stimmen.

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