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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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widerlichen Versager?
    Die Sonne färbte die hellen Dächer und Türme der Stadt rosa und golden. Raureif lag auf den Wiesen, die sich bis zur Stadtmauer erstreckten. Schon immer hatten die Könige von Ghi Naral dafür Sorge getragen, dass der Wald nicht über die nahen Hügel kroch. Kein Reiter konnte sich der Stadt unbemerkt nähern.
    Â» Es könnte schwierig werden, sich hineinzuschleichen. Jedermann kennt mein Gesicht. «
    Noan lachte leise. » Du weißt es wirklich nicht, wie? «
    Â» Was meinst du? «
    Â» Nimm es mir nicht übel, aber niemand würde dich für Prinz Tahan halten. Ich habe deinen Vater gesehen und deinen Bruder kennengelernt, als ich hier war, doch als ich dich in der Vierten getroffen habe– was glaubst du, warum ich nicht einmal auf die Idee gekommen bin, du könntest der königlichen Familie angehören? Trotz deines Namens und obwohl jeder weiß, dass der zweite Prinz verschwunden ist? Du hast einfach zu sehr nach einem Soldaten ausgesehen. Als wärst du dein ganzes Leben lang nichts anderes als ein Krieger gewesen. «
    Â» Mein Bruder ist auch ein Krieger « , wandte Tahan ein. » Mein Onkel, Prinz Meriwan, war sogar der größte Krieger aller Zeiten. «
    Â» Diesen Titel hast du dir längst verdient. Und so siehst du auch aus. «
    Â» Was soll das denn nun schon wieder heißen? Kannst du dich endlich einmal klar ausdrücken? «
    Â» Wild « , sagte Noan. » Rau. Eben ganz und gar nicht wie ein Prinz. Eher wie ein Söldner. «
    Â» Ach. «
    Â» Prinz Meriwan war ein Edelmann, selbst mit dem Schwert in der Hand. Elegant und höflich, bis er alle damit überrascht hat, wie er die Klinge zu führen verstand. «
    Â» Ich bin also weder elegant noch höflich? Du wirst gleich erleben, wie wenig höflich ich bin. Um dir mit der Faust auf den Kopf zu schlagen, muss ich nicht einmal elegant sein. «
    Â» Siehst du? Das meinte ich. Wer könnte sich vorstellen, dass du auf einem goldenen Stuhl sitzt und auf einer Simbarine herumzupfst? Dich in Mai-Senn mit einer Laute in der Hand zu sehen war das Lächerlichste überhaupt. «
    Â» Lächerlich? « , fragte Tahan drohend.
    Â» Als würde ein Löwe ein Schaf auf dem Schoß halten und streicheln! Es passt einfach nicht. Ich konnte es kaum ertragen. Du magst zu deiner Zeit der beste Lautenspieler des Königreichs gewesen sein, aber was immer du früher warst, jetzt bist du es nicht mehr. Wir werden Schwierigkeiten bekommen, weil man dich wieder einmal für einen Deserteur halten wird. «
    Trotzig wandte Noan sich nach vorne und sagte nichts mehr. Tahan erinnerte sich daran, warum sie hier waren. Er musste es wohl oder übel auf später verschieben, Noan ein wenig durchzuschütteln, denn inzwischen hatten sie das Tor erreicht.
    Der Posten winkte sie an die Seite. » Soldat? Habt Ihr einen Passierschein Eures Truppenführers? «
    Â» Siehst du « , formten Noans Lippen lautlos.
    Â» Hier ist mein Passierschein « , sagte Tahan und zog blank. Mit Fluch oder ohne, er konnte immer noch ein Schwert tanzen lassen.
    Donnernd galoppierten die Pferde durch die noch menschenleeren Straßen. Hinter ihnen ertönten die Rufe der Wächter, vor ihnen wuchs der Palast in die Höhe, so vertraut, so lieb– doch während sie noch darauf zuhielten, wurde Tahan klar, dass sich etwas verändert hatte.
    Seit je war wilder Wein an der Fassade emporgerankt, aber waren die Ranken schon immer so dick gewesen? Und hätte der Wein im Winter nicht seine Blätter verlieren müssen? Armdicke Äste schlängelten sich an den Mauern hinauf, tellergroße Blätter bedeckten die Steine. Während Tahan noch stirnrunzelnd zusah, wuchsen weitere Ranken empor. Die Steine begannen zu ächzen.
    Â» Wir müssen da rein « , rief Noan. » Schnell! «
    Die Soldaten, die sie verfolgten, waren ebenfalls auf dem Vorplatz angelangt, doch statt anzugreifen, starrten sie entsetzt auf den Palast. » Die Götter seien uns gnädig « , murmelte einer und wies auf das Dach. » Was ist das? «
    Die gläserne Kuppel, das Herzstück des Palasts, war kaum mehr zu erkennen unter dem Gewirr von schlangengleichen Ästen und Blättern. Das schaurige Mahlen der Steine, die von den Pflanzen zusammengedrückt wurden, wurde noch übertönt vom Kreischen des Glases. Tahan konnte nur zusehen, wie es brach. Es

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