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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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rauschte wie ein Wasserfall, als die Scherben hinunterregneten, schockierender noch war die plötzliche Stille. Dann hob das Geschrei an.
    Â» Der König! « , brüllten die Wächter auf dem Vorplatz. » Was ist mit dem König? «
    Â» Wir sollten machen, dass wir fortkommen « , sagte Noan leise. » Wir sind zu spät. «
    Aber Tahan war bereits vom Pferd gesprungen. Er griff in die Ranken, zog sich daran hoch, ohne auf die Höhe zu achten, ohne die immer noch aus dem Boden wachsenden Schlingen zu fürchten. Obwohl er nicht geübt war im Klettern, trat er kein einziges Mal fehl, während er von einer Astgabelung in die nächste stieg, sich emporhangelte, schnell, ohne einen Augenblick innezuhalten. Schließlich erreichte er die obere Mauerkante, wo sich eben noch die gigantische Glaskuppel über dem großen Festsaal gewölbt hatte. Nun breitete sich grünes Astwerk über den großen Raum wie eine Laube.
    Er blickte hindurch. Wie immer stand die Tafel des Königs auf dem dunklen Marmorboden, doch sie war entzweigebrochen, begraben unter einem Berg aus Glas. Wer immer dort gesessen hatte, war nicht zu erkennen in der Masse aus Scherben und zersplittertem Holz. Das Wagenrad des Leuchters ragte halb heraus, eine einsame Kerze rollte fort, schlug gegen einen goldenen Becher. Ein paar der Fürsten, die wie immer an den Nebentischen gespeist hatten, waren aufgesprungen und starrten alle auf einen Punkt, den Tahan von seinem Aussichtsplatz aus nicht erkennen konnte.
    Â» Wie äußerst bedauerlich « , erklang Dasnarees Stimme. » Die ganze Familie. Gerade als ich um eine Audienz gebeten habe. «
    Â» Was tut Ihr hier? « , schrie einer der Fürsten. » Ist das Euer Werk? «
    Â» Oh, keineswegs « , wehrte Dasnaree ab. » Die Götter haben mich durch eine glückliche Fügung ausgerechnet jetzt hergesandt, da die gesamte königliche Familie durch ein Unglück ausgelöscht worden ist. «
    Â» Vielleicht leben sie noch! « Einige Fürsten und Diener knieten vor dem Scherbenhaufen und versuchten, sich hindurchzuwühlen. » Helft! Helft alle mit! «
    Â» Natürlich « , sagte Dasnaree. » Bin ich nicht hier, um zu helfen? « Mit dem Fuß stieß er die klirrenden Scherben zur Seite und hob etwas heraus, das schlaff in seinen Armen hing. Ein weißes Spitzenkleid, blutverschmiert, langes, dunkles Haar, das über die Splitter fegte. » Ein Mädchen « , sagte er und klang beinahe betrübt. » Welche Prinzessin war das wohl? Und oh, sehe ich recht, ist das nicht der Kronprinz… gewesen? Welch grausames Geschick, dass er ausgerechnet diesen Winter zu Hause verbringen wollte. «
    Tahan hatte genug gesehen. In seinem Kopf war ein Rauschen, ein Summen, als müsste er gleich platzen, als müsste etwas geschehen. Noch nie hatte er sich so sehr nach Brand gesehnt, nach dem flammenden Schwert in seiner Hand, und dem Rausch, der ihn in die Schlacht trug. Wie ein Schlafwandler stieg er die Ranken wieder hinunter, trittsicher und stumm. Auf dem Platz drängte sich eine Menschenmenge, doch niemand schien auf ihn zu achten. Nur Noan, das Gesicht grau vor Anspannung und Entsetzen, blickte ihm erwartungsvoll entgegen. Tahan schüttelte den Kopf.
    Â» Wir müssen hier fort « , drängte Noan. » Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um Anspruch auf den Thron zu erheben. «
    Â» Vielleicht doch « , sagte Tahan. » Ree hat nur eine Handvoll Soldaten bei sich. «
    Â» Bist du wahnsinnig? Sieh dich nur mal um. «
    Er hatte bloß die Menschen wahrgenommen, die sich auf dem Platz sammelten, ohne sich zu fragen, warum sie weder auf die fremdartigen Ranken starrten noch auf das Dach. Sie waren viel zu sehr auf die seltsamen Wesen konzentriert, die sie aus den Häusern und Straßen trieben– auf zwei Beinen gehende, torkelnde Gestalten mit langen Armen. Affen aus Glas. Aus den Augenwinkeln waren sie nur eine Verzerrung der Luft, Sonnenlicht glitzerte auf ihren Leibern. Ihre unheilvollen Augen funkelten zurück.
    Â» Es werden immer mehr « , flüsterte Noan. » Sie kommen aus allen Richtungen. Es ist, als würden sie aus dem Boden wachsen. Sie greifen nicht blindlings an. Siehst du, wie gleichförmig sie sich bewegen? Als würden sie einem einzigen Willen gehorchen. «
    Â» Sie sind zerbrechlich. «
    Â» Ja, aber das sind wir auch. Komm. Tu Dasnaree nicht den

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